Im Bereich der Abgeltungsteuer spielen nahe Angehörige insoweit eine nicht unbedeutende Rolle, als die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes ausgeschlossen ist, wenn Gläubiger und Schuldner einander nahestehende Personen sind, soweit die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen und § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbs. 2 EStG keine Anwendung findet (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 lit. a EStG).
Ein Näheverhältnis i.S.d. § 32d Abs. 2 Nr. 1 lit. a EStG des Gläubigers der Kapitalerträge zu einer Personengesellschaft ist zu bejahen, wenn der Gläubiger eine Beteiligung innehat, die es ihm ermöglicht, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen. Das Gleiche gilt, wenn die Anteile an der Personengesellschaft zwar von einer rechtsfähigen Stiftung gehalten werden, der Gläubiger jedoch aufgrund seiner beherrschenden Stellung in der Stiftung mittelbar in der Lage ist, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen (BFH v. 28.9.2021 – VIII R 12/19, BStBl. II 2022, 260 = ErbStB 2022, 169 [Günther]).
Das FG Münster hat die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Näheverhältnisses i.S.d. § 32d Abs. 2 Nr. 1 lit. a EStG wie folgt konkretisiert (FG Münster v. 28.2.2019 – 3 K 2547/18 E, EFG 2019, 976 = ErbStB 2019, 195 [Weiss], bestätigt durch BFH v. 28.9.2021 – VIII R 12/19, BStBl. II 2022, 260 = ErbStB 2022, 169 [Günther]):
Ein Näheverhältnis i.S.d. § 32d Abs. 2 Nr. 1 lit. a EStG liegt nur dann vor, wenn
- die Person auf den Stpfl. beherrschenden Einfluss ausüben kann oder
- umgekehrt der Stpfl. auf diese Person beherrschenden Einfluss ausüben kann oder
- eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder
- der Stpfl. imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf die nahestehende Person einen außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder
- wenn der Stpfl. oder die nahestehende Person ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat.
Erzielt eine KG ohne gewerbliche Prägung aus der verzinslichen Kapitalüberlassung an eine Schwester-KG Kapitaleinkünfte, so handelt es sich nach Auffassung des FG Bremen (FG Bremen v. 15.5.2019 – 1 K 59/18 (3), EFG 2019, 1393) bei den Personengesellschaften um "einander nahestehende Personen" i.S.d. § 32 Abs. 2 Nr. 1 lit. a EStG, wenn beide Gesellschaften von einer natürlichen Person beherrscht werden.