Leitsatz
Im Rahmen der zollrechtlichen Auslegung von § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2 zum UStG ist der Verwendungszweck nur dann von Bedeutung, wenn er dem Erzeugnis nach seinen objektiven Merkmalen und Eigenschaften innewohnt, wobei übliche Verpackungen außer Betracht bleiben. Zur Verneinung der Steuersatzermäßigung reicht es daher nicht aus, dass sog. Werbelebensmittel unabhängig hiervon zu Werbezwecken geliefert werden.
Normenkette
§ 12 Abs. 2 Nr. 1, Anlage 2 UStG, AV 3 Buchst. b, AV 5 Buchst. b KN, Art. 98 Abs. 1 bis 3, Anh. III Nr. 1 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Der Kläger betrieb im Jahr 2017 (Streitjahr) einen Handel für Werbeartikel. Zu den Werbelebensmitteln, die er in seinem Sortiment führte, zählten z.B. Fruchtgummis, Pfefferminz- und Brausebonbons, Popcorn, Kekse, Glückskekse, Schokolinsen, Teebeutel, Kaffee und Traubenzuckerwürfel, die jeweils in kleinen Abpackungen angeboten wurden. Die Kunden konnten die Waren nach ihren Wünschen individualisiert beziehen. Die Individualisierung erfolgte durch eine bestimmte Umverpackung sowie Aufdrucke, Gravuren oder Ähnliches. Der Kläger selbst nahm keine Individualisierung der Waren vor. Er bezog die Gegenstände nach den Kundenwünschen von seinen Lieferanten oder ließ sie von Dritten veredeln. In seiner USt-Voranmeldung für Dezember 2017 erklärte der Kläger Lieferungen von Lebensmitteln zum ermäßigten Steuersatz. Im Anschluss an eine USt-Sonderprüfung ging das FA im geänderten USt-Vorauszahlungsbescheid Dezember 2017 sowie anschließend im USt-Bescheid 2017 davon aus, dass die Veräußerung der Werbelebensmittel eine sonstige Leistung in Form einer Werbeleistung sei, die dem Regelsteuersatz unterliege. Der Einspruch des Klägers und die anschließende Klage vor dem FG blieben erfolglos (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.9.2021, 2 K 2211/20).
Entscheidung
Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Hinweis
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG unterliegt die Lieferung der in der Anlage 2 zum UStG genannten Gegenstände dem ermäßigten Steuersatz. Soweit die Anlage 2 zum UStG auf das Zolltarifrecht Bezug nimmt, ist sie ohne Berücksichtigung umsatzsteuerrechtlicher Merkmale zolltariflich auszulegen. Die zollrechtliche Tarifierung richtet sich nach den objektiven Merkmalen und Eigenschaften der Waren, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen sowie in den Anmerkungen zu den entsprechenden Abschnitten oder Kapiteln der Kombinierten Nomenklatur (KN) festgelegt sind. Dabei kann der Verwendungszweck eines Erzeugnisses ein objektives Tarifierungskriterium sein, sofern er dem Erzeugnis innewohnt, was anhand seiner objektiven Merkmale und Eigenschaften zu beurteilen ist. Er darf jedoch nur berücksichtigt werden, wenn die Tarifierung nicht allein auf der Grundlage der objektiven Merkmale und Eigenschaften eines Erzeugnisses erfolgen kann. Zudem werden Verpackungen wie die darin enthaltenen Waren eingereiht, wenn sie zur Verpackung dieser Waren üblich sind. Übliche Verpackungen sind solche, die entweder für die Verwendung der Ware unbedingt notwendig sind, oder Verpackungen, die üblicherweise zur Vermarktung und Verwendung der darin enthaltenen Waren genutzt werden.
2. Damit nicht vereinbar ist die Annahme, zur Versagung der Steuersatzermäßigung reiche es aus, dass sog. Werbelebensmittel (anders als Lebensmittel aus dem Lebensmittelhandel) nicht vorwiegend zum Zweck des Verzehrs, sondern zu Werbezwecken geliefert werden. Denn damit bleibt außer Betracht, dass der Verwendungszweck nur dann von Bedeutung ist, wenn er dem Erzeugnis nach seinen objektiven Merkmalen und Eigenschaften innewohnt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.2.2023 – V R 38/21