1. Wertbestimmung
Wirklicher Wert gem. §§ 1376 Abs. 1, 1376 Abs. 2 BGB: Nach ständiger BGH-Rechtsprechung und herrschender Literaturmeinung sind die Vermögenspositionen im Anfangs- und Endvermögen der Ehegatten mit dem sog. wirklichen Wert gem. §§ 1376 Abs. 1, 1376 Abs. 2 BGB zu erfassen.
Wertmindernder Abzug der Ertragsteuerbelastung: Dieser stellt – gegenstandsbezogen für den jeweiligen Vermögensgegenstand – auf dessen Realisationswert unter wertmindernden Abzug der am Stichtag anfallenden Ertragsteuerlast ab. Beachten Sie: Eine Veräußerungsabsicht oder eine tatsächliche Veräußerung ist hierbei ausdrücklich unerheblich.
Halbteilungsgrundsatz: Dieses Ergebnis ergibt sich aus dem in § 1378 Abs. 1 BGB normierten Halbteilungsgrundsatz. Demnach stützt sich die Zugewinnausgleichsberechnung auf eine strenge "Nachsteuer-Nettobetrachtung".
2. Betroffene Vermögenspositionen
Der Abzug der Ertragsteuerbelastung anhand der individuellen Besteuerungsverhältnisse einer simulativen Einkommensteuerveranlagung betrifft sämtliche steuerverstrickte Vermögenspositionen wie typischerweise
- Betriebsvermögen in Gestalt freiberuflicher Praxen, gewerblicher Unternehmen und Gesellschaftsbeteiligungen bei gewerblichen Personen- und Kapitalgesellschaften, aber
- ausdrücklich auch Vermögensgegenstände des Privatvermögens wie Grundstücke, Wertpapiere oder Lebensversicherungsansprüche.
Beraterhinweis Bei der gutachterlichen Unternehmensbewertung
- ist der Ertragsteuerbelastungseffekt bereits in der Wertfindung IDW S 13 zu inkludieren und
- ggf. sogar ein gegenläufiger abschreibungsbedingter Steuervorteil (sog. tax amortisation benefit – TAB) werterhöhend zu berücksichtigen.
3. Ertragsteuerbelastungseffekt für Zwecke des § 1376 BGB = familienrechtlich weitestgehend ungeklärt
Die anspruchsvollen und vielschichtigen Ertragsteuerfragen bei der Berechnung der maßgebenden latenten Steuer für Zwecke des § 1376 BGB, nämlich
- die Berücksichtigung antragsgebundener Steuervergünstigungen aus § 16 Abs. 4 EStG (gleitender Freibetrag i.H.v. 45.000 EUR) und
- § 34 Abs. 3 EStG (Tarifermäßigung i.H.v. 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes für einen Veräußerungsgewinn bis zu 5 Mio. EUR, mind. jedoch mit 14 %),
- die Veranlagungssimulation mit Grund- oder Splittingtarif oder
- der Aufteilungsmaßstab einer fiktionalen Veräußerungsgewinnsteuer zwischen den Ehegatten bei Zusammenveranlagung im Todesjahr
sind familienrechtlich weitestgehend ungeklärt.