Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Alle Beteiligten sind Unternehmer, die selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig sind; dass es sich teilweise um ausländische Unternehmer handelt, ist dabei ohne Auswirkung.
Die Unternehmer S und D führen gegenüber B Bauleistungen gem. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG aus, da sie sonstige Leistungen bzw. Werklieferungen an Gebäuden ausführen. B ist ein Leistungsempfänger, der selbst im Rahmen seiner unternehmerischen Betätigung Bauleistungen i. S. der Vorschrift ausführt. Ob B für die ihm gegenüber ausgeführten Leistungen zum Steuerschuldner wird, hängt zum einen davon ab, unter welche Regelung des § 13b UStG die Leistung fallen kann, und zum anderen, welche Leistungen B seinerseits am Markt ausführt.
Unmittelbare Verknüpfung zu einer bestimmten Ausgangsleistung nicht notwendig
Für die Übertragung der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen auf den Leistungsempfänger ist es nicht erforderlich, dass die an den Unternehmer ausgeführte Bauleistung unmittelbar für eine Ausgangsbauleistung verwendet wird. Der Leistungsempfänger ist dann als bauleistender Unternehmer anzusehen, wenn er im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 10 % seiner weltweit ausgeführten Umsätze als Bauleistungen erbracht hat. Dies bescheinigt ihm die Finanzverwaltung mit dem Formular USt 1 TG.
Die Putzarbeit des S ist eine in Deutschland ausgeführte Werkleistung. Eine Werklieferung scheidet aus, da das notwendige Material von B beigestellt wird. Die Werkleistung wird an dem Grundstücksort ausgeführt und ist damit in Deutschland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar. Eine Steuerbefreiung ergibt sich nicht.
Im vorliegenden Fall treten 2 Reverse-Charge-Regelungen in Konkurrenz: Die Leistung stellt sowohl eine sonstige Leistung eines ausländischen Unternehmers dar als auch eine Bauleistung gegenüber einem bauleistenden Unternehmer, da B als bauleistender Unternehmer anzusehen ist und ihm dies auch von der Finanzverwaltung mit dem Formular USt 1 TG bescheinigt worden ist. Nach der ausdrücklichen Regelung des § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 3 UStG geht aber die Nr. 1 der Regelung der Nr. 4 vor. Damit wird B zum Steuerschuldner für die an ihn ausgeführte Leistung unabhängig davon, ob er als bauleistender Unternehmer anzusehen ist.
S ist auch ausländischer Unternehmer nach § 13b Abs. 7 UStG, da er nach den Sachverhaltsangaben den Sitz seines Unternehmens in Slowenien hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob durch den häufigen Aufenthalt bei seiner deutschen Freundin ein persönlicher Wohnsitz in Deutschland begründet wird. Nach § 13b Abs. 7 Satz 1 UStG geht in einem solchen Fall der Sitz des Unternehmens vor, sodass S als ausländischer Unternehmer gilt und für die von ihm ausgeführte Leistung das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung kommt.
Übergang der Steuerschuldnerschaft auch bei inländischem Unternehmer
Wäre S nicht als "ausländischer Unternehmer" anzusehen, würde die Steuerschuld dennoch auf B übergehen. In diesem Fall läge eine Bauleistung nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. Abs. 5 Satz 2 UStG vor, da B diese Leistung als bauleistender Unternehmer bezieht und die notwendigen Nachweise vorliegen.
Etwas anderes ergibt sich für die Leistung des S auch nicht aus § 13b Abs. 5 Satz 9 UStG. S mag zwar nach slowenischem Recht einer Besteuerung als Kleinunternehmer unterliegen, die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens ist aber nach § 13b Abs. 5 Satz 9 UStG nur dann ausgeschlossen, wenn bei dem leistenden Unternehmer die Umsatzsteuer nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben wird.
Kleinunternehmerschaft setzt inländischen Unternehmer voraus
Ausländische Unternehmer können nach den derzeit geltenden Vorschriften nie Kleinunternehmer nach § 19 UStG im Inland sein, da die Regelung einen im Inland oder in den Gebieten nach § 1 Abs. 3 UStG ansässigen Unternehmer voraussetzt.
Da S von B 2.000 EUR erhält (Zahlungsbetrag), stellt dies die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 UStG dar, auf die die Umsatzsteuer mit 19 % zu berechnen ist. B schuldet damit seinem Finanzamt aufgrund der an ihn ausgeführten Leistung (2.000 EUR × 19 % =) 380 EUR Umsatzsteuer. Diese Steuer entsteht im Monat der Ausstellung der Rechnung, spätestens mit Ablauf des Monats, der auf den Monat der Leistungsausführung folgt. Soweit S keine Rechnung im Oktober oder November 2021 ausstellen sollte, würde die Umsatzsteuer spätestens für den VAZ November 2021 bei B entstehen.
Übergang der Steuerschuldnerschaft nicht von ordnungsgemäßer Rechnung abhängig
S ist zwar verpflichtet, eine ordnungsgemäße Rechnung auszustellen, in der die Umsatzsteuer nicht gesondert ausgewiesen ist und in der auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft hingewiesen wird. Die Steuerschuldnerschaft geht aber auch dann auf den Leistungsempfänger über, wenn der leistende Unternehmer gegen diese Vorschriften verstoßen sollte.
Da B die Leistung offensichtlich für seine besteuerten Umsätze (Werklieferung, steuerbar und steuerpflichtig) verwendet, steht ihm der Vorsteuerabzug nach § 1...