Prof. Dr. Stefan Schaltegger, Dimitar Zvezdov
Steigende Bedeutung nichtmarktlicher Aspekte in der Unternehmensführung
Sozial- und Umweltbelange können nicht mehr ignoriert werden. Dies zeigt eine Vielzahl von Unternehmensbeispielen, die durch nichtmarktliche Themen wirtschaftliche Probleme (z. B. BP nach dem Unfall der Ölplattform im Golf von Mexico 2011) oder wirtschaftliche Chancen (z. B. das erfolgreiche Wachstum von dm Drogeriemarkt im Vergleich zu Schlecker) erfahren. Während einige Manager Chancen darin erkennen, sich mit diesen Themen proaktiv zu befassen und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu steigern, werden andere vom Wandel unvorbereitet getroffen.
1.1 Einbinden des Controllings
Nachhaltigkeitsaktivitäten können von Controlling-Unterstützung profitieren
Viele Unternehmen reagieren auf diese steigende wirtschaftliche Bedeutung von Nachhaltigkeitsbelangen, indem sie verschiedene Nachhaltigkeitsmaßnahmen ergreifen, um die soziale und ökologische Leistung zu steigern. Bei diesen Aktivitäten wird jedoch oft ein Zielkonflikt in Bezug auf den finanziellen Erfolg des Unternehmens vermutet. Ob und welche nachhaltigkeitsrelevanten Maßnahmen tatsächlich eine negative und welche eine positive Wirkung auf die finanzielle Leistung haben, lässt sich aufgrund der komplexen Zusammenhänge nicht generell feststellen, sondern muss individuell ermittelt werden. Eine Messung und Steuerung, die vom Controlling mit geeigneten Methoden unterstützt werden können, sind daher notwendig.
Controlling wird kaum involviert
Dies ist aber selten der Fall: In der Praxis kann derzeit lediglich eine schwache Involvierung des Controllings in das Nachhaltigkeitsmanagement beobachtet werden. Oft geht es darum, das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Umwelt- und Sozialaktivitäten darzustellen. Damit ein Nachhaltigkeitscontrolling die Unternehmensleitung erfolgreich unterstützen kann, sollte es jedoch dazu beitragen, die Nachhaltigkeitsaktivitäten auf die Unternehmensstrategie auszurichten.
1.2 Entwicklung von Strategie und Konzept
Komplexe Themen erfordern einen strategiebasierten Ansatz
Regulierungen, Marktnachfrage, Prozesseffizienz, Mitarbeitermotivation und -bindung, Medien und NGOs sowie die allgemeine Öffentlichkeit müssen systematisch berücksichtigt werden, um eine effektive, aber insbesondere effiziente Erfüllung der jeweiligen Anforderungen sicherzustellen. Ohne klare Strategieverortung wird die Befriedigung von gesellschaftlichen Stakeholder-Anforderungen zu einem Sammelsurium an wenig zusammenhängenden Einzelmaßnahmen, deren wirtschaftliche Wirkung unklar bleibt. Ein strategisch verortetes Nachhaltigkeitscontrolling trägt dazu bei, die Vielschichtigkeit der Nachhaltigkeitsaspekte und ihre wirtschaftliche Relevanz für das Unternehmen darzulegen.
Das Controlling erfüllt eine Vielzahl an Funktionen, u. a.
- eine Systematik zu schaffen,
- die Vielzahl von Einzelaktivitäten zu koordinieren,
- Übersicht zu generieren,
- Synergien zwischen Aktivitäten und Maßnahmen zu schaffen und zu nutzen sowie
- die Erfolgsrelevanz zu erkennen.
Durch die Allgegenwärtigkeit nachhaltigkeitsrelevanter Themen ist deren Verankerung in der Unternehmens- und Wettbewerbsstrategie ausgesprochen wichtig. Damit die Nachhaltigkeitsmaßnahmen auch erfolgsorientiert ausgestaltet werden, ist ein systematisches Nachhaltigkeitscontrolling erforderlich.
Notwendigkeit eines Nachhaltigkeitscontrollings
Aus diesen Überlegungen ergibt sich die Notwendigkeit eines Konzepts, das alle bereits erkannten und potenziellen Facetten unternehmerischer Nachhaltigkeit berücksichtigt. In jüngerer Zeit sind einige Publikationen erschienen, die beschreiben, wie einzelne Unternehmen bei der Herausforderung in der Praxis vorgegangen sind, andere Studien versuchen, ein übertragbares Konzept für Nachhaltigkeitscontrolling zu entwickeln. Mit Letzterem befasst sich ebenfalls dieser Beitrag.
Das nachfolgende Kapitel stellt ein Nachhaltigkeitscontrolling-Konzept vor, das auf der Logik der (Sustainability) Balanced Scorecard aufbaut, jedoch auch ohne eine Balanced Scorecard im Unternehmen umgesetzt werden kann. Darauf folgend wird das Konzept auf seine Praxistauglichkeit geprüft, wobei der Schwerpunkt auf der Umsetzbarkeit des vorgeschlagenen Konzepts liegt. In einem zweiten Schritt werden, basierend auf einer empirischen Studie, einige Praxisbeispiele vorgestellt und analysiert. Abschließend werden die wesentlichen Aspekte eines Nachhaltigkeitscontrollings und dessen Relevanz für den unternehmerischen Erfolg noch einmal zusammengefasst und ein Ausblick auf die Weiterentwicklung des Nachhaltigkeitscontrollings gegeben.