Leitsatz
1. Voraussetzung für die Annahme einer tauschähnlichen Leistung ist, dass sich zwei entgeltliche Leistungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1999 gegenüberstehen, die lediglich durch die Modalität der Entgeltvereinbarung (Tausch) miteinander verknüpft sind.
2. Überlässt der Auftraggeber dem Auftragnehmer bei ihm, dem Auftraggeber, unentgeltlich angestellte Mitarbeiter lediglich zur Durchführung des konkreten Auftrags (sog. Personalbeistellung), liegt keine sonstige Leistung i.S.d. § 3 Abs. 9 UStG 1999 vor.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9 UStG
Sachverhalt
Die GmbH, eine Tochter der Stadt, wurde von dieser mit der Planung, der Finanzierung und dem Bau der neuen Kläranlage sowie mit deren Betrieb einschließlich Wartung und Instandhaltung beauftragt und erhielt dafür Ersatz der Selbstkosten zuzüglich 4 % für das allgemeine Unternehmerwagnis und USt. Die Stadt stellte der Klägerin zur Durchführung der Arbeiten kostenlos Personal ihres bisherigen Abwasserbetriebs zur Verfügung, der auch nach Gründung der GmbH nur noch einen geringen Teil seiner bisherigen Aufgaben weiterführte.
Das FA sah darin einen tauschähnlichen Umsatz und erhöhte die Bemessungsgrundlage um die anteiligen Lohnkosten. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg (EFG 2007, 146).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG: Es liege kein tauschähnlicher Umsatz vor, weil die Stadt weiterhin den Einsatz der Arbeitnehmer (Inhalt, Zeit, Dauer und Ort) hatte bestimmen können. Dass die Klägerin bei der Durchführung des Auftrags im vorgegebenen Rahmen des Auftrags auch den augenblicklichen, konkreten Einsatz der überlassenen Arbeitnehmer bestimmen konnte, war nicht entscheidend.
Hinweis
Überlässt der Auftraggeber zur Durchführung seines Auftrags dem Auftragnehmer sein Material oder seine Arbeitnehmer, stellt sich umsatzsteuerrechtlich die Frage, ob dies als Tausch oder tauschähnlicher Umsatz zu beurteilen ist. Das hat zur Folge, dass dies bei der Bemessungsgrundlage der Leistung des Auftragnehmers an den Auftraggeber zu berücksichtigen ist.
In diesem Zusammenhang steht der lediglich als Arbeitstitel brauchbare Begriff der "Material- oder Personalbeistellung".
1. Richtigerweise ist zunächst zu fragen, ob die Material- oder Arbeitnehmerüberlassung an Auftragnehmer die Voraussetzungen einer Leistung gegen Entgelt i.S.d. UStG erfüllt. Plastisch ist dies bei der Materialüberlassung: Diese muss die Voraussetzungen einer Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG erfüllen. Dies wiederum setzt voraus, dass der Leistungsempfänger -- der Auftragnehmer -- mit dem Material wie ein Eigentümer verfahren darf. Das ist nicht der Fall, wenn er es ausschließlich zur Verwendung bei Erfüllung des Auftrags erhält.
2. Nichts anderes gilt für Arbeitnehmerüberlassung durch den Auftraggeber an den Auftragnehmer zur Durchführung des Auftrags. Behält er weiterhin die aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Rechte und Pflichten und ist die anderweitige Verwendung aufgrund des beim Auftraggeber verbleibenden Weisungsrechts ausgeschlossen, fehlt es an einer sonstigen Leistung i.S.d. § 3 Abs. 9 UStG.
3. Ob der Überlassende sich für die Dauer der Überlassung jeder weiteren Einflussmöglichkeit auf die Verwendung von Material oder Personal begibt, ergibt sich i.d.R. aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Beteiligten, kann sich aber auch aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen ergeben (vgl. BAG, Urteil vom 06.08.2003, 7 AZR 180/03, BB 2004, 669 -- zur Abgrenzung Arbeitnehmerüberlassung von der Überlassung aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags, bei der die Arbeitnehmer nach wie vor der Weisung des Arbeitgebers unterliegen).
4. Welche Voraussetzungen vorliegen, ist im Wesentlichen tatsächliche Feststellung des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Alle für die Abgrenzung relevanten Umstände müssen deshalb bereits vor dem FG vorgetragen werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 06.12.2007, V R 42/06