Die Verhandlungen über den Austritt und über die zukünftigen Bedingungen wurden auf EU-Seite ausschließlich über die von Michel Barnier angeführte Verhandlungsdelegation geführt. Über einen längeren Zeitraum hinweg blieben der deutsche Gesetzgeber und die Verwaltung daher untätig.
Im Laufe des Jahres 2018 wurde die Wahrscheinlichkeit immer realistischer, dass es zum Ende der ursprünglichen Zweijahresfrist nach Einreichung des Antrags nach Art. 50 EUV durch die britische Regierung noch kein wirksames – durch das britische Unterhaus gebilligtes – Austrittsabkommen geben würde.
In der zweiten Jahreshälfte 2018 wurde der Gesetzgeber dann tätig, um sicherzustellen, dass die ohnehin schon gravierenden Folgen des Brexits für die Bürger und Unternehmen nicht wie ein "Fallbeil" in der Nacht vom 29. auf den 30.03.2019 hereinbrechen würden. Dies erfolgte v. a. über die folgenden drei Gesetzesvorhaben:
5.1 Umwandlungsrecht
Den Auftakt – in zeitlicher Hinsicht – machte das "Vierte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes" vom 19.12.2018 (BGBl I 2018, 2694). Darin wird zum einen die Möglichkeit innereuropäischer grenzüberschreitender Verschmelzungen auf inländische Personenhandelsgesellschaften als aufnehmende Rechtsträger erweitert, und zum anderen werden Übergangsregelungen geschaffen, unter denen britische Gesellschaften jedenfalls aus deutscher Sicht noch wirksam ohne Liquidation auf einen deutschen Rechtsträger "hinein"-verschmolzen werden können. Dies gilt, wenn nur der zugrunde liegende Umwandlungsvertrag noch rechtzeitig vor dem Brexit (oder dem Ablauf des vereinbarten Übergangszeitraums) wirksam beschlossen und notariell beurkundet wurde, selbst wenn die konstitutive Handelsregistereintragung erst später erfolgt. Diese Vorschrift nimmt allgemein Bezug auf den "Übergangszeitraum, innerhalb dessen das VK in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin als Mitgliedstaat der Europäischen Union gilt", ist aber auf konkrete Verschmelzungsformen beschränkt.
5.2 Brexit-Übergangsgesetz und widersprüchliche Praxis des BZSt
Da das Ausscheiden des VK aus der EU jedoch darüber hinausgehend zahlreiche weitergehende nachteilige Auswirkungen – und rechtliche Status-Verschlechterungen – für die betroffenen Bürger und Unternehmen hätte, hat der Gesetzgeber im März 2019, d. h. wenige Tage vor Ablauf der ursprünglichen Austrittsfrist, noch einmal in allgemeinerer Form mit dem "Brexit-ÜG" vom 27.03.2019 (BGBl I 2019, 402) "nachgelegt". Das Gesetz fingiert das Fortbestehen der EU-Mitgliedschaft Großbritanniens während der Übergangsphase, auf die sich die Regierung May mit der EU bis zum 31.12.2020 geeinigt hatte. Es ist bemerkenswert, dass dieses Gesetz sich nach seinem Wortlaut – anders als das Vierte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes – zunächst ausschließlich auf das "May-Abkommen" bezog, das zum Zeitpunkt seines finalen Beschlusses bereits endgültig im britischen Unterhaus "durchgefallen" war. Die Verkündung im BGBl erfolgte sogar erst nach Ablauf dieser ursprünglichen Verhandlungsfrist.
Wenn der Gesetzgeber offenbar bereits zu Beginn des Jahres 2019 fest mit der wirksamen Umsetzung des "May-Abkommens" vom November 2018 rechnete, inklusive Übergangsfrist bis Ende 2020, erstaunt es umso mehr, dass die Finanzverwaltung bis Ende März 2019 gültige "EU-Freistellungsbescheinigungen" zur Entlastung britischer Muttergesellschaften von deutscher Kapitalertragsteuer auf Ausschüttungen deutscher Tochtergesellschaften einzog und durch "schlechtere" Freistellungsbescheinigungen nach dem DBA-UK ersetzte bzw. von vornherein nur noch bis zum 29.03.2019 befristete Freistellungsbescheinigungen ausstellte. Das zuständige Bundeszentralamt für Steuern schien damit sicher mit einem "harten Brexit" ohne Austrittsvereinbarung gerechnet zu haben, während der Gesetzgeber ebenso fest mit dem Zustandekommen des "May-Abkommens" – inklusive Übergangsfrist – gerechnet zu haben schien.
Kurz vor Jahresende 2019 hat der Gesetzgeber auf die zwischenzeitliche Entwicklung reagiert und – eher unauffällig im Rahmen des Gesetzes zur Einführung eine Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 21.12.2019 (BGBl I 2019, 2875) – die Bezugnahme auf das "May-Abkommen" durch eine Bezugnahme auf das "Johnson-Abkommen" vom 17.10.2019 (ABl. EU C 384 I vom 12.11.2019, 1) ersetzt. Insofern konnte man i. S. d. Rechtssicherheit mit der zwischenzeitlich wirksam vereinbarten Übergangsphase aufatmen, dass diese neue gesetzgeberische "Wette" eingetreten ist und es nicht zu weiteren Änderungen kam. Allerdings war eine weitere Verlängerung der Übergangsfrist über den 31.12.2020 hinaus zunächst immer noch möglich, auch wenn diese dann letztlich nicht zustande kam. Einfacher wäre eine "elastische Regelung" wie beim Vierten Gesetz zur "Änderung des Umwandlungsgesetzes" gewesen, d. h., eine Bezugnahme auf einen "Übergangszeitraum, innerhalb dessen das VK in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin als Mitgliedstaat der Europäischen Union gilt", hätte völlig ausgereicht und die Notwendigkeit der Gesetzesnachbesserung zur Verhinderung eines Leerlaufs ver...