Kai-Thorsten Röller, Carolin Babel
Da es für die Grunderwerbsteuer grundsätzlich ohne Bedeutung ist, ob der Rechtsträger im Inland oder Ausland ansässig oder wohnhaft ist, hatte der Brexit (und der Ablauf des Übergangszeitraums) in den meisten Fällen keine grunderwerbsteuerlichen Folgen. Knüpft die Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer bei den Grundtatbeständen an den Rechtsträgerwechsel bei einem inländischen Grundstück an, wird der Rechtsträgerwechsel Brexit-bedingt nur bei Limiteds mit einem Alleingesellschafter bewirkt. Wie bereits unter Abschnitt 2 ausgeführt, ist dem Bericht des Finanzausschusses (BT-Drs. 19/7959 vom 20.02.2019, 36) zum Brexit-StBG zu entnehmen, dass in verschiedenen Fallkonstellationen allein durch den Brexit grunderwerbsteuerrelevante Tatbestände verwirklicht werden können.
3.1 Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG
Fallbeispiel 3
Eine britische Limited mit einem Gesellschafter hat ihren Verwaltungssitz im Inland. Die Limited ist als Eigentümerin von inländischem Grundbesitz im Grundbuch eingetragen.
Lösung
Die britische Limited wurde bislang in Deutschland als Kapitalgesellschaft anerkannt. Mit Vollzug des Brexits werden diese Gesellschaften zivilrechtlich in Deutschland nicht mehr als solche anerkannt und sind als OHG, GbR oder Einzelunternehmen bzw. Privatvermögen zu behandeln. Im Fallbeispiel hat die Limited nur einen Gesellschafter und wurde somit Brexit-bedingt zum Einzelunternehmen. Die "Ein-Mann-Limited" ist aus grunderwerbsteuerlicher Sicht besonders relevant. Der Brexit führt insoweit zu einer "Quasi-Umwandlung" von einer Kapitalgesellschaft in ein Einzelunternehmen und bewirkt insoweit einen grunderwerbsteuerrelevanten Rechtsträgerwechsel, wenn die Limited über inländisches Grundvermögen verfügt.
Es muss daher davon ausgegangen werden, dass der Brexit einen grunderwerbsteuerbaren Rechtsträgerwechsel von einer Kapitalgesellschaft auf den Alleingesellschafter bewirkt. Das inländische Grundvermögen geht auf den Alleingesellschafter über. Da der Brexit kein Rechtsgeschäft darstellt und auch keine Auflassung erfolgt, kommen § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG nicht in Betracht. Der Vorgang unterliegt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer, da es sich um einen Rechtsvorgang handelt, der sich auf inländische Grundstücke bezieht.
Wird insoweit Brexit-bedingt ein grunderwerbsteuerbarer Rechtsträgerwechsel verwirklicht, ist die Befreiung nach § 4 Nr. 6 GrEStG relevant.
Im Fallbeispiel ist zwar ein grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG verwirklicht. Dieser ist jedoch gem. § 4 Nr. 6 GrEStG steuerfrei, da der Erwerb ausschließlich durch den Brexit ausgelöst wurde. Das inländische Grundvermögen konnte aufgrund des neu eingefügten § 4 Nr. 6 GrEStG grunderwerbsteuerneutral auf den Alleingesellschafter übergehen (vgl. Abschnitt 2.1).
Praxishinweis
Die Steuerfreiheit führt nicht dazu, dass die Anzeigepflicht nach § 19 GrEStG entfällt; vgl. unter Abschnitt 2.1.
3.2 Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 GrEStG
Der Grunderwerbsteuer unterliegen auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten, § 1 Abs. 2 GrEStG. Erfasst werden sollen solche Rechtsvorgänge "unterhalb der Ebene des Eigentümerwechsels, die einem anderen ohne Begründung eines Übereignungsanspruchs eine eigentümerähnliche Rechtsposition am Grundstück verschaffen" (Behrens in Behrens/Wachter, GrEStG, 2018, § 1 GrEStG Rn. 200). Gemeint ist die sog. Verwertungsbefugnis, die dem anderen im Innenverhältnis so weitgehende Möglichkeiten zur Einflussnahme hinsichtlich des Grundstücks einräumt, dass dieser und nicht mehr der Eigentümer über die Verwertung des Grundstücks entscheiden kann (vgl. BFH vom 20.04.2016, II R 54/14, BFH/NV 2016, 1231).
Fallbeispiel 4
Eine deutsche GmbH ist zivilrechtliche Eigentümerin von inländischem Grundbesitz. Eine "Ein-Mann-Limited" mietet von der GmbH ein inländisches Grundstück über einen Leasingvertrag, dessen Laufzeit 20 Jahre beträgt und der ein jederzeitiges Ankaufsrecht vorsieht.
Lösung
Sollte die Limited die grunderwerbsteuerliche Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG aufgrund des Leasingvertrages mit dem jederzeitigen Ankaufsrecht haben, würde im Fall des Brexits diese auf den Alleingesellschafter der Limited übergehen und insoweit ein grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 GrEStG verwirklicht. Auch in diesem Fall findet der neu eingeführte § 4 Nr. 6 GrEStG Anwendung, der diesen Erwerbsvorgang steuerfrei stellt.
Praxishinweis
Die Beteiligten sollten auch in diesem Fall an die Anzeigepflicht des § 19 GrEStG denken.
Hat die Limited mindestens zwei Gesellschafter, führt der Vollzug des Brexits zum "Quasi-Formwechsel", sodass es aufgrund der Identitätswahrung zu keinem grunderwerbsteuerrelevanten Erwerbsvorgang kommt. Die Verwertungsbefugnis geht nicht über.
3.3 Beteiligungen an grundbesitzenden Gesellschaften
Im Folgenden werden Fälle gewürdigt, bei denen eine britische Gesellschaft an grundbesitzenden Gesellschaften beteiligt ist (Erwerbsvorgäng...