Kai-Thorsten Röller, Carolin Babel
Die §§ 5 und 6 GrEStG stellen den Übergang von inländischen Grundstücken auf eine Gesamthand (§ 5 GrEStG) oder von einer Gesamthand auf die Gesellschafter bzw. zwischen zwei Gesamthandsgemeinschaften (§ 6 GrEStG) insoweit von der Grunderwerbsteuer frei, als der Veräußerer bzw. der Erwerber an der Gesamthand beteiligt ist.
Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Gesamthand grunderwerbsteuerlich zwar als Rechtsträger anerkannt ist, aber aufgrund der vermögensmäßigen Beteiligung an der Gesamthand kein steuerpflichtiger Rechtsträgerwechsel stattfinden soll. Der Rechtsträgerwechsel ist demnach aufgrund der (bereits mindestens fünf Jahre bestehenden oder fortbestehenden) gesamthänderischen Beteiligung privilegiert. Für die §§ 5, 6 GrEStG kommt es deshalb entscheidend auf die gesamthänderische Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft an.
Die Privilegierung ist insbesondere zur Vermeidung von Steuergestaltungen in beiden Fällen, also dem Übergang auf eine Gesamthand und dem Übergang von einer Gesamthand, an eine Behaltensfrist von fünf Jahren vor dem Erwerb (§ 6 Abs. 4 GrEStG) bzw. nach dem Erwerb (§ 5 Abs. 3 oder § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG bei der Übertragung zwischen zwei Gesamthandsgemeinschaften) gebunden.
Beispiel
Gesellschafter einer OHG sind A, B und C zu je 1/3. A verkauft der OHG ein Grundstück.
Lösung
§ 5 Abs. 2 GrEStG ist anwendbar. Die GrESt ist zu 1/3 nicht zu erheben.
Mit § 6a Satz 5 GrEStG hat der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen, die die Anwendung der Steuerbefreiung des § 6a GrEStG auf "Brexit-Fälle" sicherstellt. Für die Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG wurden mit § 5 Abs. 3 Satz 2 GrEStG und § 6 Abs. 3 Satz 3 GrEStG entsprechende gesetzliche Regelungen erst mit einiger Verzögerung (aber gerade noch rechtzeitig vor dem Ende des Übergangszeitraums) im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 verabschiedet. Brexit-bedingte Verstöße gegen die Nachbehaltensfristen von § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG führen somit nicht zu einer Nacherhebung von Grunderwerbsteuer. Insbesondere für den Fall einer Limited mit einem Alleingesellschafter ist der Brexit-bedingte Rechtsträgerwechsel deswegen nicht als Verstoß gegen die Behaltensfristen zu behandeln.
Beispiel
Eine Limited mit einem Alleingesellschafter bringt ein Jahr vor dem Brexit ein Grundstück in eine GbR ein, an der sie zu 50 % beteiligt ist. Ein Jahr später endet der Übergangszeitraum des Austrittsabkommens.
Lösung
Wegen § 5 Abs. 3 Satz 2 GrEStG wird die Grunderwerbsteuer i. H. v. weiteren 50 % nicht nacherhoben.
Konsequenzen des Brexits sind in Bezug auf §§ 5, 6 GrEStG zudem denkbar, wenn die Umqualifizierung der britischen Gesellschaft mit mehreren Gesellschaftern ("Quasi-Formwechsel") dazu führt, dass die Behaltensfristen nicht eingehalten werden.
Durch einen Formwechsel kann die gesamthänderische Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft verloren gehen und damit die Behaltensfrist verletzt werden (Gleichlautende Erlasse vom 12.11.2018, Tz. 7.3. BStBl I 2018, 1314). Entsprechendes sollte auch für den Brexit-bedingten "Quasi-Formwechsel" der Limited gelten. Ob die Behaltensfristen eingehalten werden, hängt davon ab, ob es sich um einen homogenen oder einen heterogenen ("Quasi"-)Formwechsel handelt.
5.1.1 Homogene Formwechsel
Unproblematisch in Bezug auf die Gewährung der Vergünstigung der §§ 5, 6 GrEStG sind homogene Formwechsel, bei denen die gesamthänderische Beteiligung nicht berührt wird.
Beispiel
Formwechsel einer GmbH in eine AG, also einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft; Formwechsel einer OHG in eine KG, also einer Personengesellschaft in eine Personengesellschaft.
Ein derartiger Formwechsel liegt bei den oben beschriebenen Folgen des Brexits (britische Kapitalgesellschaft wird zur Personengesellschaft) jedoch gerade nicht vor.
5.1.2 Heterogene Formwechsel
Ein Verstoß gegen die Behaltensfristen der §§ 5 und 6 GrEStG liegt grundsätzlich vor, wenn ein heterogener Formwechsel stattfindet (Boruttau/Viskorf, GrEStG § 5 Rn. 94 ff.). Hier sind die Brexit-Regelungen in § 5 Abs. 3 Satz 2 GrEStG und § 6 Abs. 3 Satz 3 GrEStG zu prüfen.
Beispiel
Formwechsel einer GmbH in eine OHG, also einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft oder umgekehrt.
Unter diese Fallkonstellation fällt auch die Brexit-bedingte Umqualifizierung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft, wenn die Limited mehrere Gesellschafter hat.
Beispiel 1 (zu § 5 GrEStG)
Eine Limited ist zu 50 % an einer OHG beteiligt. Die Limited überträgt in 01 ein Grundstück auf die OHG. Durch den Brexit wird die Limited im Jahr 04 (Alternative: 07) zur GbR.
Lösung
Im Ausgangsfall wird die Grunderwerbsteuer gem. § 5 Abs. 2 GrEStG zu 50 % im Jahr 01 nicht erhoben. Die Vergünstigung sollte wegen § 5 Abs. 3 Satz 2 GrEStG mit dem Brexit nicht entfallen (in der Alternative: Ablauf der Fünfjahresfrist, somit auch ohne die Anwendung von § 5 Abs. 3 Satz 2 GrEStG kein Wegfall der Begünstigung).