Aleksandra Amedov, Stephanie Tigges
Bevor anhand verschiedener Praxisbeispiele die Herausforderungen für die Arbeitgeberseite dargestellt werden, sollen zunächst die Besteuerungsgrundsätze skizziert werden, die sich aus dem deutschen Einkommensteuer- und Lohnsteuerrecht sowie dem DBA ergeben.
2.2.1 Besteuerungsgrundsätze nach dem Einkommensteuerrecht
Unbeschränkt Steuerpflichtige, die in Deutschland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, unterliegen grundsätzlich mit ihrem gesamten Welteinkommen der inländischen Besteuerung (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 EStG), sofern nicht ein DBA das Besteuerungsrecht dem anderen Staat zuweist. Sind jedoch weder ein Wohnsitz noch ein gewöhnlicher Aufenthalt vorhanden, ist der Arbeitnehmer lediglich beschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 EStG) mit seinen inländischen Arbeitseinkünften, die in § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG definiert sind. Hierbei ist der inländische Anknüpfungspunkt nicht von einer Mindestaufenthaltsdauer abhängig.
Besteht ganzjährig oder zumindest zeitweise nach lokalem deutschen Recht eine unbeschränkte Steuerpflicht und sind Einkünfte nach einem DBA freizustellen, unterliegen diese freigestellten Einkünfte dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 bzw. 3 EStG, d. h., sie werden zur Berechnung des individuellen Steuersatzes herangezogen. Voraussetzung für eine Freistellung ist, dass weder nach deutschem Recht noch nach DBA eine Rückfallklausel anzuwenden ist. Bei der Ermittlung des Progressionsvorbehaltes ist das deutsche Steuerrecht anzuwenden, ausländische Pauschalen oder Vorschriften sind insofern unbeachtlich.
2.2.2 Besteuerungsgrundsätze nach dem Lohnsteuerrecht
Für den Arbeitgeber ergibt sich die Verpflichtung zum Einbehalt von Lohnsteuer aus § 38 EStG. Dieser regelt, dass Lohnsteuer erhoben werden muss, soweit der Arbeitslohn von einem Arbeitgeber gezahlt wird, der im Inland einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seine Geschäftsleitung, seinen Sitz, eine Betriebsstätte oder einen ständigen Vertreter i. S. d. §§ 8 bis 13 AO hat (inländischer Arbeitgeber) oder einem Dritten (Entleiher) Arbeitnehmer gewerbsmäßig zur Arbeitsleistung im Inland überlässt, ohne inländischer Arbeitgeber zu sein (ausländischer Verleiher).
Inländischer Arbeitgeber ist in den Fällen der Arbeitnehmerentsendung auch das in Deutschland ansässige aufnehmende Unternehmen, das den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt; Voraussetzung hierfür ist nicht, dass das Unternehmen dem Arbeitnehmer den Arbeitslohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung auszahlt. § 38 EStG erweitert insofern den Arbeitgeberbegriff, denn zunächst ist die Lohnsteuerabführungsverpflichtung grundsätzlich an den zivilrechtlichen Arbeitgeber geknüpft.
Neben der Regelung zum Lohnsteuerabzug nach § 38 EStG sind in den Fällen der Arbeitnehmerentsendung auch die Hinweise aus dem BMF-Schreiben vom 03.05.2018 zu beachten. Hierin wird klargestellt, dass nicht nur der zivilrechtliche Arbeitgeber (z. B. in Fällen einer lokalen Anstellung) als Arbeitgeber i. S. d. DBA anzusehen ist, sondern auch eine andere natürliche oder juristische Person, die die Vergütung für die ihr geleistete unselbstständige Tätigkeit wirtschaftlich trägt oder nach verrechnungspreisrechtlichen Fremdvergleichsgrundsätzen hätte tragen müssen. In diesen Fällen ist der wirtschaftliche Arbeitgeber i. S. d. Abkommensrechts auch der zum Lohnsteuerabzug verpflichtete inländische Arbeitgeber i. S. d. § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG. Gemäß den Ausführungen im BMF-Schreiben wird das aufnehmende Unternehmen zum wirtschaftlichen Arbeitgeber, wenn
- der Arbeitnehmer in das aufnehmende Unternehmen eingebunden ist und
- das aufnehmende Unternehmen den Arbeitslohn (als Folge seines eigenen betrieblichen Interesses an der Entsendung des Arbeitnehmers) wirtschaftlich trägt oder nach den Fremdvergleichsgrundsätzen hätte tragen müssen.
Eine unterbliebene Weiterbelastung kann gem. BMF-Schreiben die Arbeitgebereigenschaft beim aufnehmenden Unternehmen nicht verhindern.
Praxishinweis
Zusätzlich zu den Ausführungen des BMF-Schreibens vom 03.05.2018 hat sich jedoch das FG München mit Urteil vom 22.04.2016 (8 K 3290/14) erstmals ausführlich mit der Frage beschäftigt, ob auch dann eine Lohnsteuerabführungspflicht gegeben ist, wenn tatsächlich keine Gehaltskosten wirtschaftlich getragen werden. Das FG München verneinte in dem verhandelten Fall die lohnsteuerliche Arbeitgebereigenschaft u. a. mit dem Hinweis, dass schon der Gesetzeswortlaut keinen Interpretationsspielraum zulasse und nur dann ein wirtschaftlicher Arbeitgeber vorliegen kann, wenn auch tatsächlich Kosten an das aufnehmende Unternehmen weiterbelastet werden. Als Reaktion auf dieses Urteil enthielt das "Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften" ("JStG 2019") (BGBl I 2019, 16) eine klarstellende Neuregelung, die den Fremdvergleichsgrundsatz enthält. Seit dem 01.01.2020 gilt daher gem. § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG, dass auch dann eine Lohnsteuereinbehaltungspflicht für das inländische Unternehmen besteht, wenn das ausländische Unternehmen auf den Ausgleichsans...