Manuel Klingenberg, Nadja Simone Roß-Kirsch
Das Austrittsabkommen erkennt an, dass nicht jeder deutsche Arbeitnehmer auch in Deutschland einen Wohnsitz haben muss. Daher können auch sog. Grenzgänger in den Genuss besonderer Rechte kommen. Das Austrittsabkommen stützt die Definition dieses Begriffs auf die Definition des EuGH. Demnach sind Grenzgänger Personen, die in einem Staat oder mehreren Staaten, in dem bzw. in denen sie nicht wohnen, eine wirtschaftliche Tätigkeit als Arbeitnehmer oder in selbstständiger Tätigkeit ausüben. Voraussetzung für die Rechte aus dem Austrittsabkommen als Grenzgänger ist dann aber, dass er zumindest einmal pro Woche an den gewöhnlichen Wohnort zurückkehrt. In welchem anderen Staat ein Grenzgänger seinen Wohnsitz unterhält, ist unerheblich. Ebenso unerheblich ist der Aufenthaltsstatus im Wohnsitzstaat.
Die Erbringung von Dienstleistungen unterfallen nicht dem Austrittsabkommen, sondern sind eben mit Ende des Übergangszeitraums für britische Staatsangehörige erloschen. Also fällt ein britischer Staatsangehöriger nur unter das Austrittsabkommen, wenn er als Grenzgänger an einem Arbeitsplatz in Deutschland eine unselbstständige Beschäftigung für einen deutschen Arbeitsgeber ausübt und nicht bloß zur Erbringung von Dienstleistungen für einen ausländischen Arbeitgeber nach Deutschland entsandt wird (s. dazu bereits Abschnitt 1.1.1).
Dies gilt auch, soweit der Grenzgänger in Deutschland eine selbstständige Tätigkeit ausübt. Hingegen fällt eine Person, die im VK wohnt und dort eine selbstständige Tätigkeit ausübt, aber gleichzeitig in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten eine Dienstleistung erbringt, seit dem 31.12.2020 ohne entsprechenden Aufenthaltstitel in Deutschland nicht mehr unter das Austrittsabkommen.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied liegt im Verfahren zur Erlangung des Aufenthaltsdokuments für die britischen Staatsangehörigen. Im Unterschied zu den Regeln für reguläre Aufenthaltsrechte nach dem Austrittsabkommen besteht für die Grenzgängerregelung eine Antragspflicht, aber umgekehrt keine spezielle Frist zur Antragstellung. Lediglich die allgemeine Frist zur Ausstellung der neuen Dokumente bis zum 30.06.2021 ist die gleiche (s. dazu gleich Abschnitt 1.1.4).
Besonderheiten ergeben sich für Grenzgänger jedoch, wenn sie einen Wechsel ihres Wohnorts anstreben: Sie können nicht wie andere Berechtigte unmittelbar Rechte aus dem Austrittsabkommen ableiten. Dies ergibt sich aus der Auslegung des Art. 24 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 des Austrittsabkommens. Solange bisherige Grenzgänger aufgrund eines nach dem Aufenthaltsgesetz erworbenen Aufenthaltsstatus ihren Wohnsitz nach Deutschland verlegen und dann in Deutschland erwerbstätig sind, sind sie erst wieder als Grenzgänger nach dem Austrittsabkommen Berechtigte, wenn der Wohnsitz wieder aus Deutschland in einen anderen Mitgliedstaat verlegt wird. Dann müssen jedoch die weiteren Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 3 bzw. Art 25 Abs. 3 bei selbstständiger Tätigkeit erfüllt sein.
Der Sinn des Austrittsabkommen ist, sicherzustellen, dass einmal ausgeübte Freizügigkeitsrechte nach dem Ende des Übergangszeitraums bestehen bleiben, was durch diese Regelungen erfüllt ist. Zudem können Grenzgänger von einer abhängigen Beschäftigung in eine selbstständige Tätigkeit wechseln. Die Veränderung der jeweiligen Rechte aus dem Austrittsabkommen fällt aber eben nicht darunter.