3.2.1 Lieferung von Deutschland in das Vereinigte Königreich als innergemeinschaftliche Lieferung
Wenn eine Warenlieferung aus Deutschland in das Gebiet des VK erfolgt und die Ware entsprechend körperlich dorthin gelangt, kann es sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung handeln. Die in Deutschland umgesetzte Definition der innergemeinschaftlichen Lieferung basiert in vollem Umfang auf den Vorschriften des Unionsrechts (vgl. Art. 138 MwStSystRL).
3.2.1.1 Innergemeinschaftliche Lieferung – Grundfall
Eine innergemeinschaftliche Lieferung setzt nach der Definition im deutschen Umsatzsteuergesetz im Grundfall voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Liefergegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet, der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt, und der Erwerb beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt (vgl. § 4 Nr. 1 b) UStG i. V. m. § 6a Abs. 1 UStG). Der Unternehmer muss die Voraussetzungen nachweisen (vgl. § 6a Abs. 3 UStG).
Seit dem 01.01.2020 sind zusätzlich die Verwendung einer gültigen ausländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch den Abnehmer (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 4 UStG) und die rechtzeitige Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung (vgl. § 4 Nr. 1 b) UStG und § 18a UStG), in der die entsprechende Lieferung angemeldet wurde, materiell-rechtliche Voraussetzung für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung.
Beispiel
Die deutsche Fritz GmbH mit Sitz in Münster liefert Ware an die britische Pickwick Limited mit Sitz in London. Ein Spediteur bringt die Ware im Auftrag der Fritz GmbH nach London.
Es gelten besondere Regelungen, wenn der Erwerber zwar ein Unternehmer ist, jedoch entweder nur steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzugsrecht (vgl. § 15 Abs. 2 UStG i. V. m. § 4 Nr. 8 bis 28 UStG) ausführt, oder ein sogenannter Kleinunternehmer ist (vgl. § 19 UStG und Art. 281 bis 294 MwStSystRL), oder den Liefergegenstand für pauschal besteuerte Umsätze als Landwirt (vgl. § 24 UStG) verwendet. In all diesen Fällen setzt die Erwerbsbesteuerung nämlich die Überschreitung der relevanten Erwerbsschwelle im Bestimmungsland oder den freiwilligen Verzicht auf deren Anwendung voraus (vgl. dazu § 1a Abs. 3 UStG analog). Nur dann handelt es sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung.
Andernfalls wird der genannte Erwerberkreis wie Nichtunternehmer behandelt und es gelten die entsprechenden umsatzsteuerlichen Konsequenzen.
3.2.1.2 Innergemeinschaftliche Lieferung an bestimmte Erwerberkreise
In der zweiten Alternative kommt eine innergemeinschaftliche Lieferung in Betracht, wenn der Gegenstand durch den Unternehmer oder den Abnehmer in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wird und der Abnehmer eine juristische Person ist, die entweder Nichtunternehmer ist oder den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt (vgl. § 4 Nr. 1 b) UStG i. V. m. § 6a Abs. 1 UStG). Zusätzliche Voraussetzung ist auch bei diesem Personenkreis, dass der Abnehmer die relevante Erwerbsschwelle überschreitet oder freiwillig auf deren Anwendung verzichtet (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 2 b) UStG). Auch hier hat der Unternehmer die Voraussetzungen nachzuweisen.
Beispiel
Die deutsche Fritz GmbH mit Sitz in Münster liefert Ware im Wert von 50.000 EUR an das britische Parlament in London. Ein Spediteur bringt die Ware im Auftrag der Fritz GmbH nach London.
3.2.1.3 Innergemeinschaftliche Lieferung neuer Fahrzeuge
Eine innergemeinschaftliche Lieferung liegt schließlich vor, wenn ein neues Fahrzeug aus Deutschland an einen Erwerber im VK geliefert und dorthin befördert oder versendet wird (vgl. § 4 Nr. 1b) UStG i. V. m. § 6a Abs. 1 UStG). In diesem Fall ist es irrelevant, ob der Erwerber ein Unternehmer oder ein Verbraucher ist (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 2 c) UStG).
Ein neues Fahrzeug ist umsatzsteuerlich definiert als ein Landfahrzeug, das entweder nicht mehr als 6.000 km zurückgelegt hat oder dessen erste Inbetriebnahme nicht mehr als sechs Monate zurückliegt (vgl. § 1b Abs. 3 Nr. 1 UStG). Bei einem Wasserfahrzeug beträgt der relevante Zeitraum seit erster Inbetriebnahme nur drei Monate bzw. die relevante Nutzung nicht mehr als 100 Betriebsstunden auf dem Wasser (vgl. § 1b Abs. 3 Nr. 2 UStG). Bei Luftfahrzeugen schließlich gilt gleichermaßen eine Dreimonatsfrist bzw. alternativ ein Nutzungszeitraum von maximal 40 Betriebsstunden (vgl. § 1b Abs. 3 Nr. 3 UStG).
Beispiel
Die deutsche Max-Auto-KG verkauft der britischen Privatperson Percy Smith einen bisher nicht zugelassenen PKW. Percy Smith erklärt, dass er das Fahrzeug mit eigener Antriebskraft nach Dover fahren wird, und beschafft sich ein entsprechendes temporäres Kennzeichen. Die Lieferung ist grundsätzlich eine umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung.
3.2.1.4 Nachweispflichten
Die innergemeinschaftliche Lieferung ist bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen umsatzsteuerfrei. Zu diesen Voraussetzungen gehört regelmäßig eine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (vgl. § 27a UStG) aus einem anderen Mitgliedstaat der EU (vgl. § 17c Abs. 1 UStDV), um nachzuweisen, dass der Vorgang der Erwerbsbesteuerung unterliegt. Lediglich für den Sonderfall der Lieferung neuer Fahrzeuge an Nichtunternehmer entfällt dieses...