4.5.8.1 Britische Unternehmen
Der Wechsel zum Drittland bedeutet, dass britische Unternehmen ab dem 01.01.2021 das Mini-One-Stop-Shop-Verfahren für EU-Unternehmen nicht mehr nutzen können. Sie haben jedoch die Möglichkeit, in das Mini-One-Stop-Shop-Verfahren für Drittlandsunternehmen zu wechseln.
Dies setzt allerdings voraus, dass die britischen Unternehmen sich für einen Mitgliedstaat der EU entscheiden, in dem sie sich registrieren (vgl. Art. 359 MwStSystRL). In diesem Mitgliedstaat geben sie dann zukünftig ihre Steuererklärungen für alle unter die Sonderregelung fallenden, nach dem Empfängerortsprinzip in der EU steuerpflichtigen Umsätze in Form von elektronischen Dienstleistungen, Telekommunikationsumsätzen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen ab. Besonders problematisch ist dabei, dass die Erweiterung zum One-Stop-Shop-Verfahren für Drittlandsunternehmen erst ab dem 01.07.2021 anwendbar ist (vgl. Abschnitt 3.4.3).
Britische Unternehmen mit Niederlassung in einem anderen EU-Staat sind vom Anwendungsbereich des Verfahrens für Drittlandsunternehmen ausgeschlossen. Sie können sich stattdessen im entsprechenden Niederlassungsstaat für das EU-Verfahren neu registrieren.
Meldungen für Umsätze in der Zeit bis zum 31.12.2020 müssen dem BMF-Schreiben vom 10.12.2020 zufolge bis spätestens 20.01.2021 von den britischen an die deutschen Behörden übermittelt worden sein, um noch berücksichtigt werden zu können. Andernfalls muss eine Umsatzsteuerregistrierung in Deutschland erfolgen. Berichtigungen von Meldungen für Zeiträume bis zum 31.12.2020 können noch bis zum 31.12.2021 über das Mini-One-Stop-Shop-Verfahren vorgenommen werden.
Die Europäische Kommission verweist abweichend von der deutschen Auffassung auf eine notwendige Einreichung der MOSS-Steuermeldung für das 4. Quartal 2020 bei den britischen Behörden bis spätestens Ende Januar 2021 (Mitteilung vom 09.12.2020). Für die Berichtigung benennt sie wie das BMF den 31.12.2021 als letztmöglichen Termin.
4.5.8.2 Deutsche Unternehmen
Deutsche Unternehmen, die entsprechende Dienstleistungen an Kunden im VK ausführen, sind dem gleichen Problem ausgesetzt: Für Umsätze ab dem 01.01.2021 können sie das Mini-One-Stop-Shop-Verfahren nicht mehr nutzen. Das gilt auch für Nordirland! Auch in dieser Richtung gilt laut BMF eine Frist bis 20.01.2021 für die Meldung des 4. Quartals 2020 und eine Frist bis zum 31.12.2021 für Berichtigungen von Meldungen.
Vorbehaltlich einer abweichenden Sonderregelung im VK (eine solche ist bisher nicht erlassen worden) müssten die Unternehmen sich ab dem Stichtag grundsätzlich im VK für Mehrwertsteuerzwecke registrieren und dort unmittelbar nach britischen Vorschriften Steueranmeldungen einreichen und Steuerzahlungen leisten.
4.5.8.3 Sonderfall: Drittlandsunternehmer mit Registrierung im Vereinigten Königreich
Da das VK bisher ein Mitgliedstaat der EU ist, hatten Drittlandsunternehmen, die in der EU nach dem Empfängerortsprinzip steuerbare und steuerpflichtige Umsätze der genannten Art an Nichtunternehmer erbrachten, grundsätzlich die Möglichkeit, sich für das Mini-One-Stop-Shop-Verfahren für eine Registrierung im VK und dort erfolgende zentrale Abgabe der Mehrwertsteuermeldungen zu entscheiden. Durch den Austritt des VK geht der Status als Mitgliedstaat der EU verloren. Damit ist es für Drittlandsunternehmen nicht mehr möglich, das Mini-One-Stop-Shop-Verfahren über eine britische Registrierung zu nutzen. Entsprechende Unternehmen müssen wie im Abschnitt a) beschrieben sich entweder zentral in einem anderen EU-Mitgliedstaat für das Mini-One-Stop-Shop-Verfahren registrieren oder alternativ werden sie in allen Verbrauchsstaaten registrierungspflichtig.
Beispiel
Der US-amerikanische Onlineanbieter Softwareking Inc. bietet verschiedene Computerspiele auch Letztverbrauchern in der EU an. Das Unternehmen betreibt sein Geschäft aus den USA und unterhält keine körperliche Präsenz in Europa.
Die Computerspiele sind elektronisch erbrachte Dienstleistungen und daher am jeweiligen Wohnsitzort der Nutzer umsatzsteuerpflichtig. Softwareking hat sich wegen der gleichen Sprache für eine Registrierung im VK entschieden und nutzt das MOSS-Verfahren. Das Unternehmen meldet quartalsweise bei der britischen Finanzbehörde die Dienstleistungen an Kunden in der EU getrennt nach Bemessungsgrundlagen und nationalen Umsatzsteuergesetzen an.
Mit Wirksamwerden des Austritts des VK aus der EU muss sich Softwareking für einen anderen Registrierungsstaat entscheiden (z. B. Irland) oder ist gezwungen, sich direkt in allen EU-Staaten, in denen sich Kunden befinden, zu registrieren.