2.2.2.1 Grundsätzliche Abwicklung
Wenn ein britisches Unternehmen Ware aus Großbritannien zu einem Abnehmer in Deutschland befördert oder versendet, oder wenn der Abnehmer für den entsprechenden Transport verantwortlich ist, sind bei Eintreffen der Ware im Zollgebiet der EU zollrechtliche Vorschriften zu beachten. Anstelle des in der Vergangenheit beim Finanzamt in der Umsatzsteuer-Voranmeldung anzumeldenden innergemeinschaftlichen Erwerbs (vgl. § 1b UStG) tritt nunmehr die Verpflichtung, eine Einfuhrzollanmeldung abzugeben (vgl. Abschnitt 2.6.1). Dies muss der zollrechtliche Einführer beim für den Vorgang zuständigen Zollamt veranlassen. Das Zollamt erlässt nach Abschluss der vorgeschriebenen zollrechtlichen Prozesse einen Einfuhrabgabenbescheid. Der Einfuhrabgabenbescheid regelt die Erhebung der auf die Einfuhr anfallenden Einfuhrzölle, Einfuhrumsatzsteuer und eventuellen Verbrauchsteuer. Die entsprechenden Abgaben hat der Abgabenschuldner an das Zollamt zu bezahlen.
Die Veränderung der zollrechtlichen Bedingungen kann dazu führen, dass deutsche Unternehmen, die sich bisher nicht mit dem Zollrecht auseinandersetzen mussten, weil sie ausschließlich am innergemeinschaftlichen Handel teilnahmen, nunmehr gezwungen sind, eine EORI-Nummer (vgl. Abschnitt 2.3) zu beantragen und zollrechtliche Prozesse einzurichten. Hierzu kann bereits die nicht nur gelegentliche Lieferung von Waren nach Großbritannien oder der entsprechende Bezug von Waren aus Großbritannien ausreichen.
Praxishinweis
Unternehmen, die Waren aus Großbritannien empfangen, brauchen ab dem Brexit eine EORI-Nummer, die sie beim Zoll beantragen müssen. Ohne diese Nummer können sie die notwendigen Zollanmeldungen nicht abgeben.
2.2.2.2 Vorsteuerabzug
Die Einfuhrumsatzsteuer kann in ähnlicher Form wie die Umsatzsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb bis zum Austritt des VK von einem unternehmerischen Abnehmer in der Umsatzsteuer-Voranmeldung als Vorsteuer abgezogen werden (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG). Dabei sind die geforderten Nachweisvorschriften zu beachten und es ist nur der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt, der im Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht an der eingeführten Ware hatte (vgl. Abschnitt 15.8 UStAE). Verbrauchsteuern und Zölle führen dagegen zu einer endgültigen finanziellen Belastung. Für beide Abgabenformen ist kein Vorsteuerabzugssystem vorgesehen.
Das Abkommen zwischen dem VK und der EU regelt eine grundsätzliche Zollfreiheit für alle Waren mit Herkunft aus dem Gebiet des jeweiligen Vertragspartners. Dies gilt aber nicht, wenn die Ware aus einem anderen Staat stammt.
Beispiel
Der japanische Automobilkonzern Mainichi führt in Japan gefertigte Fahrzeuge in das VK ein und lässt sie dort für die Bedürfnisse des europäischen Markts anpassen. Die entsprechenden Fahrzeuge werden dann in der ganzen EU verkauft.
Vor dem Brexit unterlag der Verkauf fertiger Automobile aus dem VK in die EU keiner Zollbelastung, weil sie wegen der Zollunion zollrechtlich kein relevanter Tatbestand war.
Auch nach Wirksamwerden des Austritts werden in das VK eingeführte und dort modifizierte Fahrzeuge für den deutschen Markt ausgeliefert. Der Nettoverkaufspreis zwischen der britischen Gesellschaft und der deutschen Vertriebsgesellschaft beträgt pro Fahrzeug in der Basisausstattung 25.000 EUR. Die Transportkosten aus dem VK nach Deutschland betragen 500 EUR. Die Zollbefreiung nach dem Abkommen zwischen der EU und dem VK gilt nicht, da die Fahrzeuge japanische Herkunft haben. Grundsätzlich gilt bei der Einfuhr in Japan hergestellter Automobile in die EU ein Zollsatz von 10 %. Hieraus ergibt sich die folgende Belastung nach dem Austritt des VK:
Nettoverkaufspreis 25.000 EUR + Transportkosten 500 EUR ergibt einen Zollwert von 25.500 EUR. Ein Zollsatz von 10 % auf diesen Betrag sind 2.550 EUR. Die Bemessungsgrundlage der Einfuhrumsatzsteuer ist die Summe aus Zollwert und Vollbetrag, somit 28.050 EUR. 19 % Einfuhrumsatzsteuer hierauf sind 5.329,50 EUR. Für die deutsche Vertriebsgesellschaft ist die Einfuhrumsatzsteuer finanziell wegen des Vorsteuerabzugsrechts neutral. Der Zoll führt zu einer endgültigen Belastung, sodass der Rohgewinn aus dem Vorgang um 2.550 EUR sinkt.
Wenn alternativ ein deutscher Letztverbraucher oder ein nicht zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer ein Fahrzeug direkt importiert, so ergibt sich neben der Belastung mit Einfuhrzoll auch eine höhere Belastung mit nicht abziehbarer Einfuhrumsatzsteuer, weil deren Bemessungsgrundlage sich nunmehr um den Zollbetrag erhöht.