Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage trotz Erledigung des ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakts. Nichtigkeit eines Feststellungsbescheids bei fehlerhafter Bezeichnung der Gesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) erfordert die Auslegung des § 40 Abs. 2 FGO in der Form, dass in besonderen Fällen die Möglichkeit der Feststellung der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsakts im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO erhalten bleibt. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der geänderte oder ersetzte Bescheid – wie im Streitfall durch Herabsetzung der Einkommensteuer während des Klageverfahrens auf Null – erledigt hat, er aber Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen war, deren Folgen sich nicht mit Erlass eines rechtmäßigen Bescheids erledigt haben.
2. Allein die irrtümliche Bezeichnung einer Bruchteilsgemeinschaft als Erbengemeinschaft zieht noch nicht die Nichtigkeit des Feststellungsbescheids nach sich, wenn das Vehikel der Einkunftserzielung wie auch die Inhaltsadressaten des Bescheids durch namentliche Bezeichnung der Feststellungsbeteiligten in der Anlage FB klar erkennbar sind.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4; FGO § 101 Abs. 1 S. 4, §§ 68, 40 Abs. 2; AO § 125 Abs. 1
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 22.06.2007; Aktenzeichen IX B 211/06) |
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig war zunächst die Rechtmäßigkeit der Änderung eines Einkommensteuerbescheids aufgrund eines Feststellungsbescheids. Nach Erlass eines Abhilfebescheids begehrt die Klägerin nunmehr im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen (geänderten) Einkommensteuerbescheids. Dem liegt nachstehender Sachverhalt zugrunde: Die Mutter der Klägerin hatte ihr und ihrer Schwester 1994 landwirtschaftlich genutzten Grundbesitz übertragen. In dem Überlassungsvertrag hatte sich die Mutter der Klägerin die Erträge aus den verpachteten Grundstücken vorbehalten. Die Mutter verstarb 1995. Seither reichte die Schwester der Klägerin die von einem Steuerberater erstellten Steuererklärungen für die Gemeinschaft beim Beklagten ein. Wie in den Vorjahren gab der Beklagte auch den Feststellungsbescheid für das Streitjahr gegenüber der Schwester der Klägerin als gemeinsame Empfangsbevollmächtigte gem. § 183 Abs. 1 und 3 der Abgabenordung (AO) am 11. Mai 2004 mit dem Zusatz bekannt: „Der Bescheid ergeht an Sie als Empfangsbevollmächtigte mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten.” Der Bescheid war an die „Erbengemeinschaft X” gerichtet. Beide Schwestern führte er in der dem Bescheid beigefügten Anlage „FB” als Beteiligte zu je ½ auf. Gegenstand der Feststellung waren laufende Einkünfte jeweils in Höhe von 3.695 EUR sowie nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) tarifbegünstigte Einkünfte jeweils in Höhe von 13.255 EUR.
In ihrer im Januar 2004 abgegebenen Einkommensteuererklärung hatte die Klägerin demgegenüber ohne Hinweis auf ihre Beteiligung an der Grundstücksgemeinschaft Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 3.114 EUR erklärt. Dem war der Beklagte im Bescheid vom 17. März 2004 zunächst antragsgemäß gefolgt. Am 21. Mai 2004 erging aus anderen Gründen ein weiterer Änderungsbescheid mit einer auf „0” EUR festgesetzten Steuer.
Nach dem Erlass des Eingangs erwähnten Feststellungsbescheids änderte der Beklagte unter Hinweis auf den Feststellungsbescheid – dieser Hinweis war ebenfalls in den Vorjahren auf den Bescheiden angebracht worden – mit Bescheid vom 15. Juli 2004 nochmals den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr. Die Einkommensteuer setzte er auf 924 EUR fest. Die Vollstreckung der festgesetzten Steuer blieb erfolglos.
Gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid legte die Klägerin am 12. August 2004 Einspruch ein, den sie u. a. im Schreiben vom 1. September 2004 begründete. Sie brachte vor, keine Kenntnis von dem Feststellungsbescheid erhalten zu haben. Ihr entstandene Werbungskosten seien unbeachtet geblieben. Der Feststellungsbescheid leide zudem an einem schwerwiegenden Mangel, der zur Nichtigkeit des Bescheids führe. Dieser gehe von einer Erbengemeinschaft aus, die so nie existiert habe. Die Quelle der Einkünfte sei bereits in 1994 veräußert worden, was auch der Erbschein aus 1995 bestätige. Sie sei lediglich zu 50 v. H. Mitglied einer Eigentümergemeinschaft.
Den Einspruch verwarf der Beklagte unter Hinweis auf § 351 Abs. 2 AO in der Einspruchsentscheidung vom 19. April 2005 als unzulässig. Zur Begründung führte er aus, Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid dürften nur durch Anfechtungen dieses Bescheids und nicht durch die Anfechtung des Folgebescheids angegriffen werden. Gegen die Einspruchsentscheidung hat die Klägerin am 19. Mai 2005 Klage erhoben, die sie im Wese...