Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung eines Stipendiums bei der Ermittlung der Einkünfte eines Kindes nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Stipendium, das von einer inländischen AG gewährt wird, ist weder nach § 3 Nr. 44 noch nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei. Es bleibt dahingestellt, ob es sich hierbei um gemäß § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG ohnehin nicht anzuseztende Bezüge handelt, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt oder verwendet werden oder ob wiederkehrende Bezüge gemäß § 22 Nr. 1 EStG vorliegen.
2. Selbst wenn die Studienbeihilfen als sonstige Einkünfte gemäß § 22 EStG zu qualifizieren sind, sind die Aufwendungen, die getätigt werden, um das Stipendium zu erhalten (hier: Reisekosten, Schulgeld, Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung) als Werbungskosten abziehbar.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 Sätze 2, 1 Nr. 2 Buchst. a, § 3 Nrn. 44, 11, § 22 Nr. 1, § 9 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Qualifizierung und die Höhe von Einkünften des Sohnes der Klägerin.
Die Klägerin begehrt Kindergeld für ihren am 24. November 1977 geborenen Sohn Donald. Dieser war nach Ableistung seines Grundwehrdienstes bis Ende April 1998 vom 1. Mai 1998 (vergleiche Blatt 47 der Kindergeldakten) bis zum 30. September 1998 arbeitslos. In diesem Zeitraum erhielt er Arbeitslosenhilfe in Höhe von insgesamt 5.579,91 DM (Blatt 15 Finanzgerichts – FG – Akte). Seit dem 1. Oktober 1998 wird er bei der XY Technik Akademie (STA), einer staatlich anerkannten Berufsfachschule für Automatisierungs-, Daten- und Nachrichtentechnik in A-Stadt zum Industrietechnologen ausgebildet. Schulträger ist die XY Technik Akademie (vergleiche Blatt 11 FG Akte). Ausweislich der schriftlichen Bestätigung vom Oktober 1998 (Blatt 12 FG-Akte) erhält der Sohn der Klägerin während seiner Ausbildung in der STA ab Oktober 1998 ein monatliches Stipendium von 1.150 DM im ersten Ausbildungsjahr. In diesem Schreiben wird ausdrücklich bestätigt, „dass die XY AG… ein monatliches Stipendium … gewährt”. Der Sohn der Klägerin wird gebeten, „für das von der Stiftung” erhobene Schulgeld von 200 DM monatlich… eine Einzugsermächtigung über DM 90 monatlich für die Stiftung zu erteilen. Für den Rest habe sie, die STA einen Antrag auf Schulgelderstattung gestellt.
Mit Bescheid vom 4. Dezember 1998 (Blatt 69 der Kindergeldakte) versagte die Beklagte das beantragte Kindergeld ab Mai bis Dezember 1998 wegen Überschreitens der Einkunfts-/Bezügegrenze.
Die Klägerin trägt vor, die Einkünfte und Bezüge ihres Sohnes unterschreiten die schädliche Grenze.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 4. Dezember 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr Kindergeld ab Mai 1998 in Höhe von 220 DM monatlich zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Sie trägt vor, das Stipendium werde von der XY Technik Akademie gewährt. Das Stipendium sei keine Vergütung im Rahmen einer nichtselbstständigen Arbeit, denn es liege nur ein Ausbildungsverhältnis vor. Auch eine Einordnung unter § 22 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) komme nicht in Betracht. Es handele sich um Bezüge, für die allenfalls ein Betrag von 360,– DM abgezogen werden könne. Das Stipendium sei nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei, so dass der Abzug von Werbungskosten entfalle. Die XY Technik Akademie sei eine gemeinnützige Stiftung so dass die Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 EStG gegeben seien.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der das Kindergeld ablehnende Bescheid vom 4. Dezember 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 1999 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, denn die Klägerin hat einen Kindergeldanspruch für ihren Sohn Donald.
Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG kann ein Kind, das das 18. und noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat bei Arbeitslosigkeit berücksichtigt werden. Donald war von Mai bis September 1998 (einschließlich) arbeitslos.
Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG kann Donald auch ab Oktober 1998 berücksichtigt werden, da er für einen Beruf (Industrietechnologe) ausgebildet wurde. Der Berücksichtigung in 1998 steht insbesondere die Höhe der Einkünfte und Bezüge nicht entgegen.
Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wird ein Kind nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 12.360 DM im Kalenderjahr hat. Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 nicht vorliegen, ermäßigt sich dieser Betrag um ein Zwölftel, § 32 Abs. 4 Satz 6 EStG. Einkünfte und Bezüge des Kindes, die auf diese Kalendermonate entfallen, bleiben außer Ansatz, § 32 Abs. 4 Satz 7 EStG. Da Donald von Januar bis April 1998 seinen Wehrdienst ableistete, die Voraussetzung des § 32 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG in diesem Zeitraum also nicht vor...