Entscheidungsstichwort (Thema)
Verspätungszuschlag bei vom Insolvenzverwalter nicht verschuldeter Nichtabgabe der Steuererklärung. Steuern auf nach Insolvenzeröffnung erzielten Arbeitslohn keine Masseverbindlichkeit. Einkommensteuer des Insolvenzschuldners als Masseverbindlichkeit nach Eröffnung der Insolvenz bei – der Zustimmung des Insolvenzgerichts bedürfender und zur Betriebsaufgabe führender, vor der Insolvenzeröffnung erfolgter – Veräußerung des beweglichen Anlagevermögens von drei Verkaufsstellen einer Bäckerei und Überführung der betrieblichen Grundstücksteile ins Privatvermögen
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat sich der vom Insolvenzverwalter mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung für das Jahr der Insolvenzeröffnung beauftragte Steuerberater mehrfach durch Kontaktaufnahme mit dem Insolvenzschuldner bzw. dessen früherem Steuerberater um Beschaffung der für die Erstellung der Steuererklärung erforderlichen Unterlagen bemüht, hat der Insolvenzschuldner aber keine Unterlagen beigebracht und eine weitere Mitwirkung verweigert, und konnte deswegen keine Steuererklärung erstellt und abgegeben werden, so trifft den Insolvenzverwalter hieran kein Verschulden, so dass kein Verspätungszuschlag wegen Nichtabgabe der Steuererklärung gegen ihn festgesetzt werden darf.
2. Der Einkommensteueranspruch auf nach Insolvenzeröffnung vom Insolvenzschuldner erzielte Lohneinkünfte stellt keine vorrangig zu befriedigende Masseverbindlichkeit dar.
3. Ein vorläufiger Insolvenzverwalter, der u. a. die Aufgabe hat, durch Überwachung des Insolvenzschuldners das Vermögen zu sichern und zu erhalten sowie den Gewebebetrieb des Insolvenzsschuldners bis zur Entscheidung über die Verfahrenseröffnung fortzuführen, der aber zur Stilllegung des Betriebes nur mit Zustimmung des Insolvenzgerichts befugt ist, ist kein „starker” vorläufiger Insolvenzverwalter i. S. d. § 22 Abs. 1 InsO (Anschluss an BFH-Urteil vom 9.12.2014, X R 12/12). Die Einkommensteuer, die auf die vor Eröffnung des endgültigen Insolvenzverfahrens erfolgte Veräußerung der Einrichtung der drei Verkaufsstellen sowie weiteren Anlagevermögens der vom Insolvenzschuldner betriebenen Bäckerei infolge der Stilllegung des Betriebs entfällt, ist daher nicht nach § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO als Masseverbindlichkeit zu behandeln.
4. Die auf die Veräußerung des Anlagevermögens (siehe 3.) entfallende Einkommensteuer ist aber eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn der Veräußerungstatbestand erst nach der Eröffnung des endgültigen Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist (Anschluss an BFH-Urteil vom 9.12.2014, X R 12/12). Auch wenn das Anlagevermögen wenige Tage vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens veräußert worden ist, spätestens zu diesem Zeitpunkt die Betriebsaufgabe der Bäckerei begonnen hat und deswegen von der bis dahin zulässigen Gewinnerermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zum Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG übergegangen werden musste, ist der Gewinn aus der Veräußerung der Einrichtung bzw. des Anlagevermögens erst nach der Insolvenzeröffnung begründet worden, wenn die Veräußerungen der Stilllegung des Betriebs dienten, wegen der dem vorläufigen Insolvenzverwalter eingeräumten Befugnisse (siehe unter 3.) der Zustimmung des Insolvenzgerichts bedurften und die Zustimmung des Insolvenzgerichts erst nach Insolvenzeröffnung (stillschweigend) erfolgt ist.
5. Eine für Handlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters erforderliche Zustimmung des Insolvenzgerichts, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausdrücklich oder stillschweigend erteilt worden ist, wirkt steuerlich nicht zurück.
6. Wurde der Gewinn aus der Veräußerung von Anlagevermögen (siehe 3.) mangels Abgabe einer Steuererklärung geschätzt, trifft den Insolvenzverwalter die Feststellungslast hinsichtlich der bei Ermittlung des Gewinns zu berücksichtigenden Buchwerte.
7. Masseverbindlichkeiten sind auch die Einkommensteuerschulden, die sich aus „echten” Überschüssen einer Erbengemeinschaft, an der der Insolvenzschuldner beteiligt ist, ergeben. Unerheblich für das Vorliegen einer Masseverbindlichkeit ist dabei der Zufluss der Einkünfte aus der Beteiligung an der Erbengemeinschaft in die Insolvenzmasse (Anschluss an BFH-Urteil vom 9.12.2014, X R 12/12).
8. Aus der vor Insolvenzeröffnung erfolgten Veräußerung der Einrichtung und des beweglichen Anlagevermögens in betrieblichen Gebäudeteilen kann ohne Abgabe einer ausdrücklichen Entnahmeerklärung nicht gefolgert werden, dass auch die Gebäudeteile bereits zum Zeitpunkt der Veräußerung der Einrichtungsgegenstände als dem Zeitpunkt des Beginns der Betriebsaufgabe aus dem Betriebsvermögen entnommen worden seien und der Entnahmegewinn damit vor der Insolvenzeröffnung verwirklicht worden sei.
Normenkette
AO § 162 Abs. 1-2, § 34 Abs. 1, 3, § 149 Abs. 1, § 152; InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, § 22 Abs. 1, 2 S. 1, § 21 Abs. 2 Nr. 2, §§ 38, 53; EStG § 4 Abs. 1, 3, § 16 Abs. 3 S. 1, § 11 Abs. 1 S. 1, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4
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