Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung der dem Betrieb einer staatlich anerkannten Ersatzschule dienenden Grundstücke auf einen neuen kirchlichen Träger ist grunderwerbsteuerfrei
Leitsatz (redaktionell)
1. § 4 Nr. 1 GrEStG soll den Wechsel des Trägers einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe von Grunderwerbsteuer freihalten, sofern mit dem Trägerwechsel auch ein Übergang des Eigentums an Grundstücken verbunden ist. Ein „Übergang” von öffentlich-rechtlichen Aufgaben liegt vor, wenn die übernehmende juristische Person des öffentlichen Rechts ebendie Funktion wahrnimmt, welche bisher die übergebende juristische Person wahrgenommen hat.
2. Die Führung einer „staatlich anerkannten Ersatzschule” stellt eine öffentlich-rechtliche Aufgabe im Sinne des § 4 Nr. 1 GrEStG dar.
3. Kirchen können als Träger von anerkannten Ersatzschulen auch öffentliche Aufgaben außerhalb bzw. neben ihrer öffentlich-rechtlichen Kirchengewalt ausüben.
Normenkette
GrEStG § 4 Nr. 1; GG Art. 7 Abs. 4
Nachgehend
Tatbestand
Umstritten ist zum einen, ob die vom Beklagten besteuerten drei Erwerbsvorgänge entweder nach § 4 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) steuerfrei oder nach § 3 Nr. 1 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen sind (steuerbefreit), weil von einer Gegenleistung (Kaufpreis) von je 1 Euro auszugehen ist, bzw. zum anderen, wenn die Erwerbsvorgänge nicht steuerbefreit sind, der Beklagte von einer zu hohen Bemessungsgrundlage ausgegangen ist.
Die Klägerin ist eine kirchliche Stiftung des öffentlichen Rechts. Mit Bescheid des Thüringer Kultusministeriums vom 18. Dezember 04 wurde die aus Mitteln und im Auftrag der A durch die B errichtete Klägerin als kirchliche Stiftung des öffentlichen Rechts mit Sitz in C gemäß Art. 7 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages des Freistaates Thüringen mit den D vom 15. März 01 i. V. m. § 27 Abs. 1 des Stiftungsgesetzes vom 13. September 1990 genehmigt und hatte damit Rechtskraft erlangt (Fundstelle …). Auf die Satzung der Klägerin vom 24. Oktober 04 wird Bezug genommen (Blatt 136 ff der Steuerakte).
Veräußerer der hier streitigen Grundstücke (bzw. des Erbbaurechts) ist der E. Der E war Träger des F. Dem F in Trägerschaft der E war durch das Thüringer Kultusministerium mit Urkunde vom 1. September 02 die Eigenschaft einer staatlich anerkannten Ersatzschule verliehen worden (Blatt 66 der Gerichtsakte). Zum F gehören die in C belegenen drei bebauten Grundstücke mit den Gebäuden G1, H-Str., G2, I-Str. und G3, J-Str.. Die Grundstücke G1 und G2 standen im Alleineigentum der E. Hinsichtlich des Grundstücks G3 war die E als Erbbauberechtigte im Grundbuch gemäß dem Erbbau-rechtsvertrag mit der Stadt C vom 4. Mai 03 eingetragen.
Durch den Zusammenschluss der K und der A als Religionsgesellschaften, beide Körperschaften des öffentlichen Rechts, entstand gemäß Art. 40 der Verfassung des Freistaates Thüringen, Art. 140 des Grundgesetzes (GG) i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 3 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) mit Wirkung zum 1. Januar 05 die L als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz in C. Die L steht in Rechtsnachfolge zu den beiden fusionierten Kirchen (Fundstelle …).
Im Rahmen des Zusammenschlusses der A und der K zur L wurde u. a. entschieden, alle bisherigen Schulträgerschaften der A nicht auf die gemeinsame Kirche, sondern auf die neu zu gründende Klägerin übergehen zu lassen.
Das Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur genehmigte mit Bescheid vom 13. Dezember 06 mit Wirkung zum 1. Januar 07 den Wechsel der Schulträgerschaft des F in der H-Str. in C vom E zur Klägerin. Auf den Bescheid wird Bezug genommen (Blatt 63 der Gerichtsakte).
Die Klägerin schloss mit der E einen notariellen Vertrag vom 16. Dezember 06 (Notar M in C, Urkunden-Nr. XX aus 06) über den Wechsel der Trägerschaft des F, wonach alle Rechte und Pflichten nach Maßgabe des Vertrages mit Wirkung zum 1. Januar 07 auf die Klägerin übergehen sollten. Mit dem Vertrag veräußerte die E an die Klägerin das Erbbaurecht an G3, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts C, Gebäude und Freiflächen, J-Str., mit x qm, sowie die Grundstücke G1 und G2. Gebäude und Freifläche, H-Str., Schule, x qm und Gebäude- und Freifläche, I-Str., mit x qm, für jeweils 1 Euro an die Klägerin. Der Besitz sollte mit Ablauf des 31. Dezember 06 übergehen. Ferner übernahm die Klägerin u. a. nach Abschnitt V. der Urkunde sämtliche Verpflichtungen der E aus der Vereinbarung über die Durchführung von Baumaßnahem der Modernisierungsvereinbarungen vom 18. März 02. Auch sollte das Schulinventar übergehen. Ferner verpflichtete sich die Klägerin, das für die Modernisierung gewährte Darlehen in Höhe von X Euro zu übernehmen und zu bedienen. Auch sollten die Barbestände, Einlagen und Rücklagen auf die Klägerin übergehen. Ferner wurden die Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse mit Wirkung zum 1. Januar 07 übergeleitet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vertragsurkunde Bezug genommen (Blatt 3 ff der Steuerakte).
Das Fi...