Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung einer auf freigebigen Zuwendungen beruhenden Anteilsvereinigung. Anzeigepflichten des Notars und des Steuerpflichtigen. leichtfertige Steuerverkürzung
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach dem Gesetzeszweck des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG ist eine Anteilsvereinigung auch insoweit von der Grunderwerbsteuer zu befreien, als sie auf früheren freigebigen Zuwendungen von Anteilen beruht. Eine Steuerbefreiung kommt jedoch nur insoweit in Betracht, als ein Grundstück bereits zum jeweiligen Zeitpunkt der unentgeltlichen oder teilweise unentgeltlichen Anteilsübertragung der Gesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen war.
2. Die Anzeigepflicht des Notars nach § 18 GrEStG wird nur durch Übermittlung der Anzeige an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts erfüllt. Eine Information des Finanzamts als Organisationseinheit ist nicht ausreichend, wenn die zur Bearbeitung berufene Dienststelle (Grunderwerbsteuerstelle) keine positive Kenntnis über diese hat.
3. Ein Notar, der seine Anzeigepflicht nach § 18 GrEStG verletzt, verletzt eine allgemeine verfahrensrechtliche Pflicht, welche den Pflichten in § 33 Abs. 2 AO gleichsteht, und ist damit nicht Steuerpflichtiger nach § 33 Abs. 1 AO.
4. Der Steuerpflichtige, der die Steuerpflicht eines Rechtsvorgangs erkennen muss, aber nicht weiß, welche Obliegenheiten ihn in diesem Zusammenhang treffen, und der sich nicht um die Kenntniserlangung bei einem Fachmann oder dem Finanzamt bemüht, begeht mit dieser Untätigkeit einen leichtfertigen Verstoß gegen seine steuerlichen und verfahrensrechtlichen Pflichten und damit eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO in Verbindung mit § 379 AO.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 1, § 3 Nr. 2 S. 1, § 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2, § 19 Abs. 1 Nr. 4; AO § 170 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1, § 169 Abs. 2 S. 2, §§ 378-379, 33 Abs. 1-2
Nachgehend
Tatbestand
Umstritten ist, ob die aufgrund einer Schenkung von Geschäftsanteilen an einer grundstücksbesitzenden GmbH entstandene Grunderwerbsteuer mit Bescheid vom 4. August 2017 gegenüber dem Kläger festgesetzt werden konnte oder ob zu diesem Zeitpunkt bereits Festsetzungsverjährung im Hinblick auf diesen Vorgang eingetreten ist.
Im Jahr 2017 verkaufte Herr A (Kläger) als Alleingesellschafter der B GmbH 51 vom Hundert seiner Anteile an der GmbH an Herrn C. Die Veräußerungsanzeige erhielt der Beklagte am 23. März 2017. Mittels der Veräußerungsanzeige erlangte der Beklagte über den im Zeitraum 2003 bis 2009 erfolgten Anteilserwerb des Klägers an der GmbH Kenntnis.
Der Kläger hatte von seinem Vater mit notariellem Vertrag des Notars D vom 18. Dezember 2003 (Urkundenrolle Nummer 1) einen 31,92 vom Hundert Anteil, mit notariellem Vertrag vom 2. April 2007 des Notars D (Urkundenrolle Nummer 2) von seiner Mutter deren gesamten Anteil (25,77 vom Hundert) und mit notariellem Vertrag vom 3. Februar 2009 des Notars D (Urkundenrolle Nummer 3) von seinem Vater dessen restlichen Anteil (42,31 vom Hundert) erhalten und war somit Alleingesellschafter der B GmbH geworden. Im notariellen Vertrag vom 3. Februar 2009 war unter Vertragspunkt VII. folgender Passus enthalten:
Der Notar hat die Beteiligten über die rechtliche Tragweite ihrer vorstehenden Erklärungen eingehend belehrt. Insbesondere hat er auf folgendes hingewiesen:
- sofern die Gesellschaft Grundbesitz hat und die heutige Anteilsübertragung zu einer Vereinigung aller Anteile an der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder mit ihm verbundener Unternehmen führt, unterliegt die Anteilsübertragung der Grunderwerbsteuer.
Punkt IX. des notariellen Vertrages enthielt folgende Aussagen:
Die mit dieser Beurkundung verbundenen Kosten sowie eventuell anfallende Steuern hat der Erwerber zu tragen.
Von dieser Urkunde erhalten:
- jeder Vertragsteil und die Gesellschaft als Anzeige gemäß § 16 GmbH-Gesetz eine Ausfertigung
- das Finanzamt E und das Amtsgericht F, Registergericht als Anzeige, je eine beglaubigte Abschrift
Die Gesellschaft hat Grundbesitz in G und H.
Der Ort H war handschriftlich nachgetragen und der Eintrag mit 2 Paraphen versehen. Die GmbH war zum Zeitpunkt des Eintritts der Alleingesellschafterstellung des Klägers Eigentümerin folgender Grundstücke:
seit 2001 H
seit 2008 G.
Bereits 2008, also vor dem Erhalt der Alleingesellschafterstellung, hatte der Kläger, als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der B GmbH (Beiakte 53), das in der Gemarkung G gelegene Grundstück G1, Größe 1,8822 ha für die B GmbH gekauft.
Weder der Kläger noch sein Vater zeigten den Erwerbsvorgang vom 3. Februar 2009 beim Finanzamt an. Der beurkundende Notar D übersandte den notariellen Vertrag ausdrücklich an die Körperschaftsteuerstelle des Finanzamtes E. Einen Hinweis, dass die Gesellschaft über Grundbesitz verfügte, enthielt das Anschreiben nicht, einen Hinweis auf eine erforderliche Weiterleitung durch die Körperschaftssteuerstelle an die Grunderwerbsteuerstelle ebenso nicht.
Der Bek...