Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhebung der Mobilfunknummer zur Erreichbarkeit in der Freizeit zum Zwecke der Arbeitsaufnahme. Klage eines Sachbearbeiters im Gesundheitsamt auf Rücknahme und Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte bei verweigerter Herausgabe der Mobilfunknummer
Leitsatz (amtlich)
1. Die Erhebung/Erfassung der privaten Mobiltelefonnummer eines/*einer Arbeitnehmers/*in gegen seinen*ihren Willen ist wegen des darin liegenden äußerst schwerwiegenden Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des/*der Arbeitnehmers/*in nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn der*die Arbeitgeber*in ohne Kenntnis der Mobiltelefonnummer im Einzelfall eine legitime Aufgabe, für die der*die Arbeitnehmer*in eingestellt ist, nicht, nicht vollständig oder nicht in rechtmäßiger Weise erfüllen kann und ihm eine andere Organisation der Aufgabenerfüllung nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
2. Schafft ein kommunaler Arbeitgeber die Rufbereitschaft für Notfälle im Gesundheitsamt für die Dauer der Nachtzeit von 19:01 bis 5:59 Uhr aus Kostengründen ab, um im Notfall einen der Beschäftigten nach dem Zufallsprinzip ggf. auch über das Mobiltelefon aus seiner*ihrer Freizeit heraus zur Arbeitsleistung heranzuziehen, wählt er damit eine risikobehaftete Arbeitsorganisation. Diese rechtfertigt nicht den in der Herausgabe der Mobiltelefonnummer liegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten, denn grundsätzlich entscheidet jede*r Arbeitnehmer*in selbst, für wen, wann und wo er*sie durch Bekanntgabe der Mobiltelefonnummer erreichbar sein will.
3. Verweigert ein*e Arbeitnehmer*in die datenschutzrechtlich unzulässige Erfassung der Mobiltelefonnummer hat er*sie einen Anspruch auf Rücknahme und Entfernung einer deshalb erteilten Abmahnung aus der Personalakte.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 28; ThürVerf Art. 3 Abs. 1, Art. 91 Abs. 2; ThürDSG § 33 Abs. 1; ThürBG § 79; BGB §§ 242, 1004 analog, §§ 611a, 1004 Abs. 1 S. 1; TVöD § 6 Abs. 5; ThürBG § 79 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Gera (Entscheidung vom 12.10.2017; Aktenzeichen 5 Ca 125/17) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 12.10.2017 - 5 Ca 125/17 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Rücknahme und Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte.
Der Kläger war bei dem beklagten Landkreis seit dem 1.6.2010 als Sachbearbeiter Hygiene/Infektionsschutz im Gesundheitsamt zuletzt zu einem monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 2700,00 € beschäftigt. Nach § 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages, hinsichtlich dessen Einzelheiten auf die zu den Akten gereichte Kopie hiervon Bezug genommen wird (Bl. 4, 4 R der Akte), bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem TVöD und die diesen ergänzenden und ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung.
Im Aufgabenbereich des Beklagten konnten bezogen auf die Hygiene/Infektionsschutz Gefährdungsanlagen entstehen, welche ein Tätigwerden auch außerhalb von Dienstzeiten erforderlich machen. Darunter waren katastrophenähnliche Szenarien wie der Ausbruch von hoch infektiösen Krankheiten wie Masern, Meningitis, Pocken, Pest und ähnlichen Epidemien oder Pandemien oder sogar Angriffe mit Biowaffen und Ähnliches zu verstehen. Auch bei auftretenden Problemen beim Trinkwasser oder mikrobiologischer Belastung von Wasser in Schwimmbädern und Badeseen waren Sofortmaßnahmen der Mitarbeiter*innen im Bereich der Hygiene/Infektionsschutz vorgesehen.
Bis zum 31.12.2016 sicherte der Beklagte diese Maßnahmen dadurch ab, dass außerhalb der Dienstzeit eine Rufbereitschaft eingerichtet wurde. Im Voraus festgelegte Mitarbeiter*innen wurden an sieben Tagen der Woche 24 h lang zur Rufbereitschaft eingeteilt. Für die erforderliche Kontaktaufnahme wurde ein Diensthandy zur Verfügung gestellt. Hierfür erhielten die Mitarbeiter*innen, welche zur Rufbereitschaft eingeteilt waren, eine zusätzliche Vergütung von 2 h pro Wochentag und 4 h am Wochenende. Es bestand ein Wahlrecht, ob die Vergütung in Form von Freizeitausgleich oder Geldzahlung erfolgen sollte. Für den Fall eines tatsächlich anfallenden Einsatzes wurde die tatsächlich anfallende Arbeitszeit vergütet.
Im Jahr 2016 kam es im Rahmen einer solchen Rufbereitschaft zu insgesamt 40 Kontaktaufnahmen und Tätigkeitsszenarien in einem Zeitfenster von 19:01 Uhr bis 6:59 Uhr.
Unter Berufung auf Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie aufgrund von Überlastungsanzeigen des Sachgebietes Hygiene/Infektionsschutz entschied sich der Beklagte, die Absicherung von notwendigen Tätigkeiten außerhalb angeordneter Arbeitszeiten oder Rufbereitschaftszeiten anders zu organisieren. Ab dem 1.1.2017 wurde Rufbereitschaft außerhalb der gewöhnlichen Dienstzeit beschränkt auf Samstage, Sonntag, Feiertage und so genannte Brückentage auf die Zeit von 7:00 Uhr bis 19:00 Uhr. Für diesen Zeitraum erhielten die im Voraus festgele...