Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhebung der Mobilfunknummer zur Erreichbarkeit in der Freizeit zum Zwecke der Arbeitsaufnahme. Klage einer Sachgebietsleiterin im Gesundheitsamt auf Rücknahme und Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte bei verweigerter Herausgabe der Mobilfunknummer
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Bekanntgabe personenbezogener Daten unterliegt den Beschränkungen des Datenschutzrechts gemäß § 33 Abs. 1 ThürDSG in Verbindung mit § 79 Abs. 1 ThürBG.
2. Sind zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung weder die Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) noch entsprechende Änderungen des Thüringer Datenschutzgesetzes (ThürDSG) oder des Thüringer Beamtengesetzes (ThürBG) in Kraft, ist dem Arbeitgeber die Erhebung der Mobiltelefonnummer der Arbeitnehmerin untersagt, wenn weder eine Einwilligung der Arbeitnehmerin vorliegt noch die Voraussetzungen der Zulässigkeit der Datenerhebung gegen den Willen der Arbeitnehmerin erfüllt sind und der Arbeitgeber auch keinen Anspruch gegen die Arbeitnehmerin auf Erteilung einer Einwilligung hat.
3. In der Erfassung der Mobiltelefonnummer liegt ein erheblicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerin.
4. Hat der kommunale Arbeitgeber mit der Abschaffung einer umfassenden Rufbereitschaft zeitliche Lücken geschaffen, die er in der Folgezeit dadurch abzusichern versucht, dass er Beschäftigte gegebenenfalls jederzeit an jedem Ort auch in ihrer Freizeit über die Mobiltelefonnummer erreichen möchte, kann dieser Umstand bei der Abwägung der Belange nicht unberücksichtigt bleiben. Soweit der Arbeitgeber bewusst seine Arbeitsabläufe in der Weise gestaltet, dass diese das Risiko, das er mit der Erhebung der Mobiltelefonnummer beseitigen will, überhaupt erst hervorrufen, darf der Arbeitgeber diese selbstgeschaffene Lage nicht einseitig zulasten des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmerin auflösen.
5. Ist die Arbeitnehmerin datenschutzrechtlich nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber ihre Mobiltelefonnummer bekannt zu geben, fehlt es im Falle ihrer Weigerung und diesbezüglicher Abmahnungen an einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten. In entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB kann die Arbeitnehmerin die Entfernung der zu Unrecht erteilten Abmahnungen aus ihrer Personalakte verlangen.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 28; ThürVerf Art. 3 Abs. 1, Art. 91 Abs. 2; ThürDSG § 33 Abs. 1; ThürBG § 79; BGB §§ 242, 1004 analog, §§ 611a, 1004 Abs. 1 S. 1; TVöD § 6 Abs. 5; ThürBG § 79 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Gera (Entscheidung vom 12.10.2017; Aktenzeichen 5 Ca 163/17) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 12.10.2017 - 5 Ca 163/17 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Rücknahme und Entfernung zweier Abmahnungen aus der Personalakte.
Die Klägerin war bei dem beklagten Landkreis seit 1978 als Sachgebietsleiterin Hygiene/Infektionsschutz im Gesundheitsamt zuletzt zu einem monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 4.100,00 € beschäftigt.
Im Aufgabenbereich des Beklagten konnten bezogen auf die Hygiene/Infektionsschutz Gefährdungsanlagen entstehen, welche ein Tätigwerden auch außerhalb von Dienstzeiten erforderlich machen. Darunter waren katastrophenähnliche Szenarien wie der Ausbruch von hoch infektiösen Krankheiten wie Masern, Meningitis, Pocken, Pest und ähnlichen Epidemien oder Pandemien oder sogar Angriffe mit Biowaffen und Ähnliches zu verstehen. Auch bei auftretenden Problemen beim Trinkwasser oder mikrobiologischer Belastung von Wasser in Schwimmbädern und Badeseen waren Sofortmaßnahmen der Mitarbeiter*innen im Bereich der Hygiene/Infektionsschutz vorgesehen.
Bis zum 31.12.2016 sicherte der Beklagte diese Maßnahmen dadurch ab, dass außerhalb der Dienstzeit eine Rufbereitschaft eingerichtet wurde. Im Voraus festgelegte Mitarbeiter*innen wurden an sieben Tagen der Woche 24 h lang zur Rufbereitschaft eingeteilt. Für die erforderliche Kontaktaufnahme wurde ein Diensthandy zur Verfügung gestellt. Hierfür erhielten die Mitarbeiter*innen, welche zur Rufbereitschaft eingeteilt waren, eine zusätzliche Vergütung von 2 h pro Wochentag und 4 h am Wochenende. Es bestand ein Wahlrecht, ob die Vergütung in Form von Freizeitausgleich oder Geldzahlung erfolgen sollte. Für den Fall eines tatsächlich anfallenden Einsatzes wurde die tatsächlich anfallende Arbeitszeit vergütet.
Im Jahr 2016 kam es im Rahmen einer solchen Rufbereitschaft zu insgesamt 40 Kontaktaufnahmen und Tätigkeitsszenarien in einem Zeitfenster von 19:01 Uhr bis 6:59 Uhr.
Unter Berufung auf Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie aufgrund von Überlastungsanzeigen des Sachgebietes Hygiene/Infektionsschutz entschied sich der Beklagte, die Absicherung von notwendigen Tätigkeiten außerhalb angeordneter Arbeitszeiten oder Rufbereitschaftszeiten anders zu organisieren. Ab dem 1.1.2017 wurde Rufbereitschaft außerhalb der gewöhn...