Leitsatz (amtlich)

Ein Antrag gem. § 23 EGGVG auf Untersagung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und der Durchführung einzelner Ermittlungsmaßnahmen ist grundsätzlich nicht statthaft.

 

Tenor

Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung werden auf Kosten der Antragstellerin verworfen.

Der Geschäftswert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin trägt vor, sie besitze 4 Cannabispflanzen in einer Größe von je 20 und 40 cm und 10 Cannabispflanzenstecklinge. Sie benötige diese in ihrer Wohnung aufbewahrten Pflanzen, um sich selbst gegen Schmerzen zu therapieren bzw. therapieren zu lassen. Sie sei nur eingeschränkt bereit, synthetische Arzneimittel als Substitut des Naturheilproduktes Cannabis/Marihuana zur Linderung ihres Leidens einzunehmen, da sie deren Nebenwirkungen fürchte und da sie der Meinung sei, dass "auf Grund des symbiotischen Zusammenlebens von Fauna und Flora über Jahrmillionen und auf Grund des komplexen Krankheitsbildes der Klägerin ein multifaktoriell wirkendes unstandardisiertes Naturprodukt eher geeignet sei, ihre Leiden zu mindern, als pharmazeutisch hergestellte Monopräparate". Außerdem könne sie sich das verschreibungspflichtige Schmerzmittel Dronabinol finanziell nicht leisten. Die Krankheitskasse übernehme die Behandlungskosten für Dronabinol nicht.

Die Antragstellerin beantragt

festzustellen, dass die Gegenstände 4 Cannabispflanzen in der Höhe zwischen 20 und 40 cm und 10 Cannabispflanzenstecklinge beschlagnahmefrei sind und die Voraussetzungen einer Beschlagnahme gemäß §§ 94 Abs. 1 i.V.m. § 98 Abs. 1 und § 111b Abs. 1 i.V.m. § 111c Abs. 1 i.V.m § 111e Abs. 1 StPO nicht vorliegen,

der Staatsanwaltschaft M. zu untersagen oben benannte Gegenstände zu beschlagnahmen,

der Staatsanwaltschaft J., Zwgst. der Staatsanwaltschaft G. zu untersagen, die nach Jena verbrachte Cannabispflanze zu beschlagnahmen,

der Staatsanwaltschaft M. (Beklagte I.) zu untersagen ein Ermittlungsverfahren wegen des Besitzes und des Anbaus von 4 Cannabispflanzen in der Höhe zwischen 20 und 40 cm und 10 Cannabispflanzenstecklinge im Landgerichtsbezirk M. zu eröffnen,

der Staatsanwaltschaft J. Zwgst. der Staatsanwaltschaft G. zu untersagen ein Ermittlungsverfahren wegen des Besitzes einer Cannabispflanze im Landgerichtsbezirk G. zu eröffnen.

Von einer Anhörung der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat der Senat wegen offensichtlicher Unzulässigkeit der Anträge abgesehen.

Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG sind unzulässig.

1.

Ein Rechtsbehelf gegen die künftige Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ist grundsätzlich nicht gegeben (OLG Karlsruhe NStZ 1982, 434 f; Kissel, GVG, 3. Aufl., § 23 EGGVG, Rn. 40; Löwe/Rosenberg/Böttcher, StPO, 25. Aufl., § 23 EGGVG, Rn. 52, 57; Karlsruher Kommentar/Schoreit, StPO, 5. Aufl., § 23 EGGVG Rn. 32; der Sache nach auch BVerfG NStZ 1984, 228); ein Ausnahmefall liegt nicht vor.

Aus dem Inhalt der Regelungen der Strafprozessordnung über die Strafverfolgung bis zur Erhebung der öffentlichen Klage und aus dem systematischen Zusammenhang dieser Regelungen folgt, dass die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens überhaupt nicht und die Nichteinleitung eines strafrechtlichen Verfahrens nur unter den engen Voraussetzungen des § 172 Abs. 2 StPO gerichtlich überprüft werden kann. Das Ermittlungsverfahren dient der Staatsanwaltschaft zur Vorbereitung der Entscheidung, ob sie wegen des Verdachts einer Straftat öffentliche Klage erheben will oder nicht. Der allein der Staatsanwaltschaft zukommenden Befugnis zur Erhebung der öffentlichen Klage entspricht die in § 152 Abs. 2 StPO verankerte Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. So wenig die Gerichte die Staatsanwaltschaft an der Erhebung der öffentlichen Klage hin-

dem dürfen und können, so wenig dürfen und können sie nach der gesetzgeberischen Konzeption der Staatsanwaltschaft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens untersagen und es ist ihnen verwehrt, das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft zu überprüfen. Einem Missbrauch der der Staatsanwaltschaft zustehenden Befugnis, eigenverantwortlich und ohne die Kontrolle durch die Gerichte Ermittlungsverfahren einzuleiten, hat der Gesetzgeber wirkungsvoll durch die Aufnahme der Strafvorschrift über die Verfolgung Unschuldiger gem. § 344 StGB in das Strafgesetzbuch entgegengewirkt.

Auch die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG führt nicht zur Annahme der Zulässigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gem. § 23 EGGVG. Die bloße Einleitung und Durchführung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens vermag grundsätzlich nicht Rechte des Betroffenen zu verletzen (siehe BVerfG NStZ 1984, 228, 229; OLG Karlsruhe NStZ 1982, 434, 435). Soweit konkrete staatsanwaltschaftliche Maßnahmen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Rechte oder gar Grundrechte Bet...

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