Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Leitsatz
Die im Inland ausgeführte tierärztliche Tätigkeit an Tieren, die zur Behandlung aus dem Drittlandsgebiet nach Deutschland gebracht werden, ist keine steuerfreie Lohnveredelung an einem Gegenstand der Ausfuhr.
Sachverhalt
Die Klägerin - eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts - betrieb in Deutschland eine Tierklinik, in der auch Tiere behandelt wurden, die aus der Schweiz zur Behandlung nach Deutschland gebracht wurden und anschließend wieder in die Schweiz verbracht wurden. Die Klägerin behandelte die Umsätze als steuerfreie Lohnveredelungen nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 7 Abs. 1 UStG. Entsprechende grüne Ausfuhrkassenzettel wurden vorgelegt.
Nach einer Aussenprüfung versagte der Beklagte die Steuerbefreiung mit der Begründung, dass keine Bearbeitung eines beweglichen körperlichen Gegenstands stattgefunden habe. Die Umsätze wurden dem Regelsteuersatz unterworfen. Dagegen richtete sich die Klage.
Entscheidung
Die Klage wurde vom FG als unbegründet abgewiesen.
Die Tätigkeit als Tierarzt ist eine sonstige Leistung, die dort ausgeführt ist, wo der leistende Unternehmer sein Unternehmen betreibt, § 3a Abs. 1 UStG. Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 7 Abs. 1 UStG kann nicht in Frage kommen, da die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind. Die Leistungen der Tierärzte sind in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig.
Die Leistung eines Tierarztes umfasst hauptsächlich die wissenschaftliche Beurteilung der Gesundheit von Tieren sowie bei kranken Tieren die Diagnose und Heilbehandlung. Der Umstand, dass eine solche Behandlung manchmal einen körperlichen Eingriff erfordert, genügt nicht, um sie als "Arbeit" zu bezeichnen. Die Annahme einer tierärztlichen Heilbehandlung schließt aus, dass es sich um "Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen" handelt (vgl. BFH, Urteil v. 29.6.2011, XI R 52/07, BFH/NV 2011 S. 1806).
Die Art der von der Klägerin ausgeführten Tätigkeiten ist keine "Bearbeitung" oder "Verarbeitung" eines Gegenstands i.S.d. § 7 Abs. 1 UStG. Die in § 7 Abs. 1 UStG verwendeten Begriffe "Bearbeitung" oder "Verarbeitung" sind unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Norm sowie der MwStSystRL auszulegen. Der Begriff der "Bearbeitung" umfasst nicht die Heilbehandlung von Tieren.
Hinweis
Der EuGH hatte zwar in einer Entscheidung aus 2004 (EuGH, Urteil v. 1.4.2004, C-320/02 (Stenholmen), BFH/NV Beilage 2004 S. 217) festgestellt, dass lebende Tiere als Gebrauchtgegenstände angesehen werden können, die unter den weiteren Bedingungen der Differenzbesteuerung unterliegen können. Im Rahmen einer Auslegung kann aber die Heilbehandlung, die auch Operationen umfasst, nicht als eine Arbeit an einem körperlichen Gegenstand und damit nicht als eine Bearbeitung i. S. d. § 7 Abs. 1 UStG angesehen werden.
Soweit der leistende Unternehmer im Inland ansässig ist, sind die tierärztlichen Leistungen steuerbar und in Ermangelung einer Steuerbefreiung (§ 4 Nr. 14 UStG befreit nur die Leistungen im Bereich der Humanmedizin) steuerpflichtig. Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, der die Leistung für sein Unternehmen bezieht. In diesem Fall würde die Leistung (seit dem 1.1.2010) an dem Ort erbracht, an dem der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt, § 3a Abs. 2 UStG. Dann wäre die Leistung im Inland nicht steuerbar, soweit der Leistungsempfänger nachweislich aus dem Ausland kommen würde.
Gegen die Entscheidung wurde keine Revision zugelassen.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.10.2012, 14 K 3006/11