Tobias Kocholl, Dominik Klehr
Zusammenfassung
- Planung ist ein Prozess zur aktiven Auseinandersetzung mit der Zukunft. Unternehmen müssen sich in ihrer Planung mit unterschiedlichen Zukunftsentwicklungen auseinander setzen, um diese in der Steuerung berücksichtigen zu können.
- Um einen Mehrwert zu schaffen, muss die Szenario-Modellierung die Veränderungen von Eingangsgrößen direkt mit den Auswirkungen auf die zentralen Steuerungsgrößen in Form von Treibern verknüpfen.
- Beim Aufbau der Szenario-Modellierung bietet sich ein dreistufiges Modell an: (1) Basismodell, (2A) Predictive Modell, (2B) Risikosimulationsmodell und (3) Optimierungsmodell.
- Proaktive Steuerung macht Unternehmen resilienter und befähigt sie auch in unsicheren Zeiten vom Reagieren ins Agieren zu kommen. Szenario-Modellierung unterstützt dabei die Entscheidungsfindung und der Finanzbereich agiert als Business Partner.
- Ein Praxisbeispiel zeigt, welche Vorteile Szenario-Modellierung birgt und an welchen Stellen Herausforderungen in der Konzeption und Umsetzung liegen.
1 Szenario-Modellierung als wichtiges Steuerungsinstrument – nicht nur in Krisenzeiten
1.1 Sinnhaftigkeit von Planung in unsicheren Zeiten
In unsicheren und volatilen Zeiten wird regelmäßig die Sinnhaftigkeit von Planung als Steuerungsinstrument hinterfragt. Insbesondere das Management außerhalb des Finanzbereichs zweifelt am Nutzen einer Planung und kritisiert den zu starren und unflexiblen Charakter bei einer sich schnell veränderten Umwelt. Doch welches Ziel hat die Unternehmensplanung als Steuerungsinstrument?
Planung ist ein Prozess zur aktiven Auseinandersetzung mit der Zukunft. Es werden Ziele gesetzt, die zur Orientierung und als Richtungsvorgabe dienen. Erst durch diese Auseinandersetzung mit der (unsicheren) Zukunft kann diese gestaltet werden. Natürlich kann selbst die raffinierteste Planung nicht die Zukunft treffsicher vorhersagen, geschweige denn bestimmen. Es bedeutet jedoch nicht, dass Planung an sich nutzlos ist, nur weil der Wert einer bestimmten Kennzahl (z. B. "Gewinn" oder "Kosten") nicht mit absoluter Genauigkeit in der Planung getroffen werden kann. Zumindest dann nicht, wenn Planung über die "Vorhersage" einzelner Spitzenkennzahlen hinaus geht.
Unternehmen müssen sich in der Planung mit unterschiedlichen Zukunftsentwicklungen (bzw. Szenarien) auseinandersetzen, um die jeweiligen Auswirkungen auf das Unternehmen abschätzen (modellieren) und in der Zielsetzung und Steuerung berücksichtigen zu können. Erst die Anwendung von Szenario-Modellierung als fester Bestandteil der Planung ermöglicht es Unternehmen, die Zukunft aktiv zu gestalten und sinnvolle Ziele zu formulieren. Die Modellierung geht dabei über die Planung einzelner, isolierter Kennzahlen hinaus: sie erfolgt mehrdimensional und integriert.
Die Auswirkungen eines Szenarios werden entlang der gesamten Wertschöpfung des Unternehmens simuliert und in den Finanzberichten abgebildet. Außerdem werden Maßnahmenpläne je Szenario definiert, um die jeweiligen Auswirkungen zu verstärken (z. B. positives Marktwachstum in einer bestimmten Region) oder ihnen entgegenzuwirken (z. B. negatives Marktwachstum in einer bestimmten Region).
1.2 Vom "Reagieren" zum "Agieren" durch die Simulation von Szenarien
Insbesondere in unsicheren Zeiten hat sich gezeigt, dass Planung über die eindimensionale Fortschreibung der Vergangenheit hinausgehen muss. Nur wenn die Szenario-Modellierung fest in den Steuerungsprozessen verankert ist, können sich Unternehmen proaktiv auch auf Negativszenarien einstellen. Der Finanzbereich und das Controlling müssen dabei einen wesentlichen Beitrag in Form eines Business Partnering leisten: durch die Modellierung unterschiedlicher Szenarien und ihrer Auswirkungen unterstützt der Finanzbereich das Management durch Entscheidungsvorlagen und gestaltet so die Zukunft des Unternehmens.
Die Szenarien-Simulation sollte dabei über den jährlichen Planungsprozess hinausgehen. Auch im unterjährigen Steuerungszyklus muss die Szenario-Modellierung fester Bestandteil sein. Der Aufsatzpunkt einer Szenario-Modellierung ist in diesem Fall ein aktueller Forecast.
Entsprechend ist die Szenario-Modellierung weit über akute Krisenzeiten hinaus relevant. Wer z. B. meinte, auf das Instrument der Szenario-Modellierung könne nach dem absehbaren Ende der Corona-Krise wieder verzichtet werden, wurde spätestens im Februar 2022 eines Besseren belehrt. Geopolitische Krisen, Lieferkettenengpässe, Inflation und insbesondere steigende Energie- und Rohstoffpreise gehören zum "New Normal".
Entsprechend müssen potenzielle zukünftige Entwicklungen regelmäßig betrachtet werden, um von einem "Reagieren "zu einem "Agieren "zu gelangen. Simulationen sollten fest in den regelmäßigen Steuerungsprozessen verankert sein, um so das Unternehmen resilienter und anpassungsfähiger zu machen.
Der vorliegende Beitrag zeigt anhand eines Praxisbeispiels auf, welche Vorteile die Szenario-Modellierung birgt und an welchen Stellen Herausforderungen in der Konzeption und Umsetzung eines solchen Modells liegen. Es werden drei Fallbeispiele simuliert und abschließend ein Fazit gezogen.
2 Aufbau von Szenario-Modellierung anhand eines Stufenmodells
2.1 Die drei Stufen der Szenario-Modellierung
Die während der Corona-Krise entstandenen Szenario-Modelle sind (ebenso wie jene, die während der ...