Neue Fiktionen im ErbStG mit dem geplanten Wachstumschancengesetz
[Ohne Titel]
RD a.D. Winfried Hartmann
Nach derzeit herrschender Praxis werden Personengesellschaften bei Vermehrung und zu Lasten ihres Gesellschaftsvermögens durch freigebige Zuwendungen nicht selbst, sondern stattdessen ihre Gesellschafter als Erwerber und Schenker behandelt. Das einzige Argument zur Begründung dieser transparenten Besteuerung, die Vorschrift des § 718 Abs. 1 BGB, löst sich zum Jahresende 2023 in Luft auf. Mit dem MoPeG v. 10.8.2021 (BGBl. I 2021, 3436) wird ab dem 1.1.2024 nicht nur die Rechtsfähigkeit der GbR endgültig anerkannt (§ 705 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BGB n.F.), sondern auch in § 713 BGB n.F. ausdrücklich klargestellt, dass rechtsfähige Personengesellschaften selbst Träger ihres Gesellschaftsvermögens sind. Gesellschaftsrechtlich entfällt damit das "historisch überholte" Gesamthandsprinzip. Wohl zu Recht befürchtet man im BMF, dass künftig allein die Personengesellschaften und nicht mehr ihre Gesellschafter als Erwerber und Schenker i.S.d. ErbStG in Betracht kommen. Um dies nicht zu riskieren, sollen im Zuge des geplanten Wachstumschancengesetzes, das zahlreiche Einzelsteuern betrifft, auch das ErbStG sowie die AO entsprechend geändert werden. Der Beitrag befasst sich detailliert mit dem RegE des Wachstumschancengesetzes zu § 2a ErbStG (sowie §§ 14a, 39 AO) und beleuchtet kritisch die Auswirkungen.
I. Der Anlass
Die Höhe der Steuerbelastung nach dem ErbStG hängt entscheidend von der jeweiligen Steuerklasse (Stkl.) ab. Maßgebend ist das persönliche Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder Schenker. Sind sie einander fremd, gilt grundsätzlich die ungünstigste Stkl. III (§ 15 Abs. 1 ErbStG – s. aber Abs. 1a-4). Für steuerpflichtige Erwerbe (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) droht somit Erbschaft- oder Schenkungsteuer i.H.v. 30 % bzw. 50 % (§ 19 ErbStG).
Zwischen Personengesellschaften (insb. GbR, OHG, KG) und ihren Gesellschaftern besteht kein persönliches Verhältnis, das die Anwendung der günstigen Stkl. I und II zulassen würde (§ 15 Abs. 1 ErbStG). Nach derzeit herrschender Praxis werden jedoch Personengesellschaften bei Vermehrung und zu Lasten ihres Gesellschaftsvermögens durch freigebige Zuwendungen nicht selbst, sondern stattdessen ihre Gesellschafter als Erwerber und Schenker behandelt (BFH v. 5.2.2020 – II R 9/17, BStBl. II 2020, 658 = ErbStB 2020, 281 [Knittel]; BFH v. 30.8.2017 – II R 46/15, BStBl. II 2019, 38 = ErbStB 2018, 1 [Hartmann]); auch bei Erwerb durch Erbanfall soll die Gesellschaft nicht Erwerber sein (so beiläufig BFH v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81 unter Aufgabe seines früheren, gegenteiligen Standpunkts in BFH v. 7.12.1988 – II R 150/85, BStBl. II 1989, 237). Die anfallenden Erbschaft-/Schenkungsteuern reduzieren sich schon deshalb, weil stets mehrere Gesellschafter an Personengesellschaften beteiligt und die Erwerbsvorgänge somit zu splitten sind. Die Stkl. richten sich sodann nach den individuell maßgebenden Verhältnissen der betroffenen Gesellschafter zum Erblasser/Schenker und/oder dem/n Erwerber/n. Selbst der Fremdenfreibetrag kann mehrfach zur Anwendung kommen (§ 16 Abs. 1 ErbStG).
Das einzige Argument zur Begründung dieser transparenten Besteuerung, die Vorschrift des § 718 Abs. 1 BGB (s. BFH v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81), löst sich zum Jahresende 2023 in Luft auf. Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436) wird ab dem 1.1.2024 (Art. 137 Satz 1 MoPeG) nicht nur die Rechtsfähigkeit der GbR endgültig anerkannt (§ 705 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BGB n.F.), sondern auch in § 713 BGB n.F. ausdrücklich klargestellt, dass rechtsfähige Personengesellschaften selbst Träger ihres Gesellschaftsvermögens sind. Das bisher gesamthänderisch gebundene Vermögen der Gesellschafter wird zum Vermögen der Personengesellschaft. Gesellschaftsrechtlich entfällt das "historisch überholte" Gesamthandsprinzip (BT-Drucks. 19/27635, 103–106, 148 [Zitat]).
II. Die beabsichtigte Regelung
Wohl zu Recht befürchtet man im BMF, dass künftig allein die Personengesellschaften und nicht mehr ihre Gesellschafter als Erwerber und Schenker i.S.d. ErbStG in Betracht kommen. Um dies nicht zu riskieren, sollen im Zuge des geplanten Wachstumschancengesetzes, das zahlreiche Einzelsteuern betrifft ("Omnibusgesetz"; Korn, kösdi 8/2023, 23336), auch das ErbStG sowie die AO entsprechend geändert werden. Der RefE (Stand: 14.7.2023 – im Folgenden: RefE) sieht insb. vor:
In das ErbStG eingefügt wird § 2a ErbStG:
"Rechtsfähige Personengesellschaften (§ 14a Absatz 2 Nummer 2 der Abgabenordnung) gelten für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer als Gesamthand und deren Vermögen als Gesamthandsvermögen. Bei einem Erwerb nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 durch eine rechtsfähige Personengesellschaft gelten deren Gesellschafter als Erwerber. Bei einer Zuwendung durch eine rechtsfähige Personengesellschaft gelten deren Gesellschafter als Zuwendende."
Die erwähnte neue Vorschrift, § 14a Abs. 2 Nr. 2 AO, lautet:
„(2) ...