Leitsatz
1. Ob ein Betrieb im Anschluss an eine Verschmelzung "in einem vergleichbaren Umfang fortgeführt" wird, ist nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse zu beurteilen (Bestätigung des BMF-Schreibens vom 16.04.1999, BStBl I 1999, 455).
2. Maßstab für die notwendige Vergleichsbetrachtung sind die Verhältnisse des Verlustbetriebs am Verschmelzungsstichtag (Abweichung vom BMF-Schreiben vom 16.04.1999, BStBl I 1999, 455).
Normenkette
§ 12 Abs. 3 UmwStG 1995 i.d.F. des UntStRFoG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, ist in der Unterhaltungsbranche tätig. Sie hatte seit 1998 den Vertrieb bestimmter Produkte über die M-GmbH abgewickelt. Die M-GmbH erzielte in den Jahren 1998 bis 2000 (Streitjahr) stets Verluste. Der Bilanzwert ihres Aktivvermögens belief sich zwischen 1998 und 2000 auf rd. 268 000, 230 000 und 100 000 DM; ihre Umsätze betrugen in diesen Jahren rd. 810 000, 590 000 und 170 000 DM. In den Jahren 1998 und 1999, nicht aber im Streitjahr 2000, beschäftigte die M-GmbH Arbeitnehmer. Auf den 31.12.2000 wurde für sie ein verbleibender Verlustvortrag i.H.v. rd. 190 000 DM festgestellt.
Mit Vertrag vom 08.08.2001 wurde die M-GmbH mit Wirkung zum 31.12.2000 auf die Klägerin verschmolzen. Diese erzielte im Streitjahr und in den Folgejahren bis 2005 mit dem von der M-GmbH übernommenen Betrieb Umsätze i.H.v. rd. 87 000, 70 000, 45 000, 40 000, 57 000 und 50 000 EUR; ihr mit der Fortführung der Tätigkeit der M-GmbH zusammenhängendes Aktivvermögen belief sich in dieser Zeit auf rd. 52 000, 61 000, 61 000, 90 000, 62000 und 77 000 EUR. Arbeitnehmer beschäftigte die Klägerin in allen genannten Jahren nicht.
Das FA berücksichtigte den gegenüber der M-GmbH festgestellten verbleibenden Verlustvortrag nicht. Der deshalb erhobenen Klage hat das FG stattgegeben (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.09.2008, 12 K 8279/05 B, Haufe-Index 2070446, EFG 2009, 63).
Entscheidung
Der BFH hat das FG bestätigt:
Die M-GmbH habe im Streitjahr – und damit am Verschmelzungsstichtag schon ein Jahr lang – keine Arbeitnehmer beschäftigt. Dieser Zustand habe, was den übernommenen Betrieb betreffe, im Anschluss an die Verschmelzung angehalten.
Der Bilanzwert des Aktivvermögens der M-GmbH am Verschmelzungsstichtag sei in den Bilanzen der Klägerin für die fünf Folgejahre stets überschritten worden. Die von der M-GmbH im Streitjahr erzielten Umsätze seien zwar in den Folgejahren nicht mehr erreicht und seit 2002 sogar deutlich verfehlt worden. Ein Rückgang des Umsatzes bei gleichbleibendem oder sogar ansteigendem Aktivvermögen bringe indes nur einen Rückgang des betrieblichen Erfolgs, nicht jedoch eine Verringerung des Betriebsumfangs i.S.d. § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 1995 n.F. zum Ausdruck. Bei alledem sei das Umlaufvermögen ebenso wie das Anlagevermögen einzubeziehen.
Hinweis
Das Urteil betrifft (abermals, s. jüngst Urteil vom 27.05.2009, I R 94/08, BFH/NV 2009, 1570, BFH/PR 2009, 354) den Übergang von Verlusten der übergehenden Gesellschaft auf die empfangende Gesellschaft im Fall einer Verschmelzung. Diese richtete sich nach § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 1995. Mit Verabschiedung des SEStEG im Zug der Europäisierung des Umwandlungsrechts wurde dieser Verlustübergang per 01.01.2008 ersatzlos abgeschafft.
1. Nach jener früheren Rechtslage (zu welcher aber noch etliche Streitpunkte ungeklärt sind, vgl. zum Verlustabzug beim sog. Down-stream-merger die zur kurzfristigen Entscheidung anstehende Revision I R 4/09 gegen FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.12.2008, 12 K 7465/01 B, Haufe-Index 2115289, EFG 2009, 619) trat die übernehmende Körperschaft bezüglich eines verbleibenden Verlustabzugs i.S.d. § 10d Abs. 3 S. 2 EStG in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft unter der Voraussetzung ein, dass der Betrieb oder Betriebsteil, der den Verlust verursacht hat, über den Verschmelzungsstichtag hinaus in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortgeführt wird.
2. Im Urteilsfall ging es um das Merkmal der Betriebsfortführung "in einem nach dem Gesamtbild der Verhältnisse vergleichbaren Umfang", und das in zweierlei Hinsicht: Zum einen fragt sich, wie das "Gesamtbild der Verhältnisse" zu verstehen ist; zum anderen, ob es in zeitlicher Beziehung auf einen Vergleichszeitraum oder aber den Verschmelzungsstichtag als Vergleichszeitpunkt ankommt.
Zum ersten Zweifelspunkt hat der BFH das BMF (in BStBl I 1999, 455, Tz. 38 i.V.m. Tz. 16) bestätigt: Das in § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 1995 n.F. genannte "Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse" wird danach u.a. durch Umsatzzahlen, Vermögenswerte, Auftragsvolumen und Anzahl der Arbeitnehmer bestimmt. Der Verweis auf das "Gesamtbild" bedeutet hierbei, dass stets auf die Verhältnisse des Einzelfalls abzustellen ist. Das gilt sowohl für die Auswahl als auch für die Gewichtung der einzelnen Faktoren. Im Ergebnis ist eine wertende Betrachtung geboten, wobei eine deutliche Verminderung einzelner Vergleichsgrößen ggf. durch eine geringere Verminder...