Leitsatz
1. Der Tatbestand des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG wird auch dann verwirklicht, wenn die wirtschaftliche Inhaberschaft an dem Kapitalgesellschaftsanteil auf den Erwerber übergeht.
2. Letzteres ist im Fall des Verkaufs eines GmbH-Anteils jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Käufer des Anteils
a) aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und
b) die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie
c) das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind.
3. Bei der Prüfung dieser Merkmale ist zu berücksichtigen, dass eine von der zivilrechtlichen Inhaberstellung abweichende Zuordnung der Beteiligung auch dann anzunehmen sein kann, wenn die vorstehend genannten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang erfüllt sind (sog. Gesamtbildbetrachtung).
Normenkette
§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO, § 17 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war neben seinem Bruder als Geschäftsführer zu 50 % an der X-GmbH beteiligt. Mit notariellem Kauf- und Übertragungsvertrag vom 24.7.1992 veräußerten beide ihre halbe Beteiligung, einschließlich Gewinnbeteiligung ab dem 1.1.1992 für 4 Mio. DM an die Y-GmbH. Der Käuferin sollte aber die Mehrheit der Stimmrechte zustehen, auf deren Vorschlag auch 2 weitere alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer eingestellt wurden. Sie erhielt ein unwiderrufliches Ankaufsrecht für die verbliebenen Anteile zwischen dem 1.7.1997 und dem 30.6.1999. Dem Kläger und seinem Bruder wurde ein Andienungsrecht für den Zeitraum vom 24.7.1997 bis 30.6.1999 eingeräumt.
Die Optionsrechte konnten nur einheitlich ausgeübt werden. Es war ein fester Kaufpreis von insgesamt 4 Mio. DM, unabhängig von der Wertentwicklung, bestimmt. Über die Geschäftsanteile durfte im Übrigen nur mit Zustimmung aller Gesellschafter verfügt werden. Für außergewöhnliche Geschäfte hatten die Geschäftsführer die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen. Beschlüsse waren grundsätzlich mit der Mehrheit der Stimmen zu fassen. Für die Erhöhung oder Herabsetzung des Stammkapitals, Änderungen des Gesellschaftsvertrags oder die Auflösung war eine Mehrheit von 75 % der Stimmen erforderlich. Nach Maßgabe der Eigenkapitalquote konnte jeder Gesellschafter die Ausschüttung des ausschüttungsfähigen Gewinns verlangen.
Mit notariellem Verkaufs- und Abtretungsvertrag vom 7.8.1997 wurden unter Bezugnahme auf das Ankaufsrecht der Käuferin die restlichen Anteilsrechte verkauft und abgetreten.
Das FA erfasste zunächst bei der ESt 1992 für den Kläger einen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG bzgl. des ersten Teilgeschäftsanteils (25 %). Nach erneuter Prüfung nahm das FA einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO an und erfasste im Rahmen der ESt-Festsetzung für 1992 den Gewinn aus beiden Teilanteilsveräußerungen. Für 1997 setzte es bei den Einkünften aus Kapitalvermögen einen Abzinsungsbetrag von 469.732 DM an.
Entscheidung
Der BFH hob das stattgebende Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Die Käuferin habe bereits im Jahr 1992 hinsichtlich der zurückbehaltenen Anteilsrechte aufgrund ihres Ankaufsrechts eine rechtlich geschützte Position als Grundlage für wirtschaftliches Eigentum erlangt. Das Risiko eines Wertverlusts wie auch die Chance einer Wertsteigerung sei der Käuferin zuzuordnen gewesen. Der durch Ausübung eines Optionsrechts zustande kommende Kaufvertrag sei, insbesondere hinsichtlich des Kaufpreises, unabhängig davon gewesen, wer das Gestaltungsrecht ausübte.
Eine Fortführung der Beteiligungsverhältnisse über den Optionszeitraum hinaus sei eine rein spekulative Annahme des FG, die außer Acht lasse, dass die verbliebenen Beteiligungsrechte erheblichen Beschränkungen unterworfen worden seien. Der Käuferin habe ein nicht mehr beteiligungsproportionales Mehrheitsstimmrecht zugestanden, die verbliebenen Anteilsrechte seien insofern des Kernbestands ihrer Mitwirkungsrechte entkleidet worden. Eine an sich gebotene individuelle Betrachtung der zustehenden Mitwirkungsrechte scheide hier aus, weil die Optionsrechte einheitlich auszuüben gewesen seien. Soweit für satzungsändernde Beschlüsse eine qualifizierte Mehrheit erforderlich gewesen sei, seien die Minderheitsrechte dem nicht als typisch gekennzeichneten Bereich zuzuordnen und für die Frage des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums bereits im Jahr 1992 grundsätzlich außer Betracht zu lassen.
Für den 2. Rechtsgang hat der BFH außerdem rechtliche Hinweise hinsichtlich der Prüfung des Gewinnbezugsrechts der Verkäufer und des ihnen ggf. zustehenden Gewinnausschüttungsanspruchs unter dem Gesichtspunkt gegeben, ob dadurch der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den den Altgesellschaftern zivilrechtlich verbliebenen Geschäftsanteilen bereits im Jahr 1992 gehindert werden konnte, was der BFH offensichtlich anders gesehen hat.
Hinweis
1. Im Streitfall kam es entscheidend darauf an, ob der Kläger im Streitjahr 1992 seine ...