Leitsatz
Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass die Aushändigung eines Einkaufsgutscheins durch ein Unternehmen, das diesen Gutschein zu einem Preis einschließlich Mehrwertsteuer erworben hat, an seine Bediensteten gegen deren Verzicht auf einen Teil ihrer Barvergütung eine Dienstleistung gegen Entgelt i.S.d. Bestimmung darstellt.
Normenkette
Art. 2 Nr. 1, Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der 6. EG-RL (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 , § 3 Abs. 1 und 9 UStG)
Sachverhalt
Astra Zeneca (A) bietet seinen Arbeitnehmern ein Vergütungssystem an, das aus einem jährlichen festen Teil, dem sogenannten Vergünstigungsfonds ("Advantage Fund", im Folgenden: Fonds) besteht; dieser setzt sich aus einem Bargeldbetrag und gegebenenfalls Vergünstigungen (hier Einkaufsgutscheine im Nennwert von 10 GBP, die in bestimmten Geschäften eingelöst werden können), die vorab von den Bediensteten gewählt werden, "wobei jede von einem Beschäftigten gewählte Vergünstigung zu einer besonderen Entnahme aus dem Fonds dieses Beschäftigten" (bewertet mit ca. 9 GBP) führt.
A war der Auffassung, die Kosten für den Erwerb dieser Gutscheine seien Teil der Gemeinkosten und die von ihr entrichtete Mehrwertsteuer abzuziehen; die Ausgabe der Gutscheine an ihre Beschäftigten sei jedoch unentgeltlich und keine USt in Rechnung zu stellen.
Entscheidung
Der mitgeteilte Sachverhalt ist nicht ganz klar. "Barvergütung und gegebenenfalls Vergünstigungen" (RdNr. 9) scheint eher dafür zu sprechen, dass nicht zunächst eine Barvergütung vereinbart und dann der Arbeitnehmer unter Verzicht auf einen Teil davon die Einkaufsgutscheine erwerben konnte, sondern eine Kombination aus Barvergütung und zusätzlichen Vergünstigungen vorlag (vgl. BFH, Urteil vom 31.07.2008, V R 74/05, BFH/NV 2009, 226 zur Überlassung von Firmenfahrzeugen zur privaten Nutzung). Beides führt aber zum selben Ergebnis.
Hinweis
1. Nach Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL (§ 1 Abs. 1 UStG) unterliegen "Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt". Es muss sich um eine "wirtschaftliche Tätigkeit" (§ 2 Abs. 1 UStG) handeln; das sind "alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe" sowie "die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen" (Art. 4 Abs. 1 und 2 der 6. EG-RL). Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands ist (Art. 6 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 der 6. EG-RL = § 3 Abs. 9 und § 3 Abs. 1 UStG).
2. Erwirbt der Unternehmer Einkaufsgutscheine, handelt es sich – ebenso wie bei der Ausgabe der Gutscheine – nicht um eine Lieferung, sondern um eine Dienstleistung. Denn die Gutscheine vermitteln nicht unmittelbar die Befugnis, über einen Gegenstand zu verfügen (Art. 6 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 der 6. EG-RL = § 3 Abs. 9 UStG), sondern berechtigen nur zur Einlösung beim Erwerb von Gegenständen (Lieferungen) bei anderen Unternehmern. Die Aushändigung der Gutscheine ist daher eine Dienstleistung, weil die Beurteilung als Lieferung ausscheidet. Nichts anderes gilt – entgegen einer vereinzelt vertretenen Auffassung (Hey, UR 2005, 641) – für den Verkauf von Eintrittskarten, die nur den Anspruch auf eine bestimmte Leistung verkörpern und daher nicht Gegenstand einer Lieferung sind. Terminologisch gewöhnungsbedürftig ist allerdings, dass der EuGH – nachdem er kurz und schnörkellos in RdNr. 26 den Dienstleistungscharakter von Einkaufsgutscheinen bejaht hat – in RdNr. 34 des EuGH-Urteils von einer "Lieferung von Dienstleistungen" spricht.
3. Für die Frage, ob eine Leistung (Lieferung oder Dienstleistung) gegen Entgelt ausgeführt wird, ist allein entscheidend, ob ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Leistung und einer tatsächlich erhaltenen Gegenleistung besteht. Das ist ganz offensichtlich der Fall, wenn ein Arbeitnehmer auf einen Teil der Barvergütung verzichtet, wenn er im Austausch hierfür eine andere Leistung (Lieferung oder Dienstleistung) des Unternehmers (Einkaufsgutscheine) erhält.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 29.07.2010, C-40/09– Astra Zeneca UK Ltd. –