Leitsatz
1. Überlässt eine Werbeagentur einer Gemeinde ein mit Werbeaufdrucken versehenes Kfz im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes zur Nutzung mit dem Recht, es nach Ablauf von fünf Jahren ohne Zahlung eines Entgelts zu erwerben, liegt eine Lieferung vor.
2. Als Bemessungsgrundlage sind die Anschaffungskosten des Kfz anzusetzen.
Normenkette
§ 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1, 9 und 12, § 10 Abs. 2 S. 2 UStG
Sachverhalt
Der Kläger hatte einer Gemeinde im Streitjahr 1997 ein mit Werbeaufschriften verschiedener Unternehmen versehenes Kfz kostenlos für 60 Monate zur Nutzung überlassen. Nach Ablauf des Vertrags konnte die Gemeinde kostenlos die Übereignung des Kfz verlangen, musste aber die Werbeaufdrucke entfernen.
Der Kläger unterwarf die Einnahmen aus der Überlassung der Werbeflächen an die verschiedenen Unternehmen der USt und machte Vorsteuer aus dem Kauf des Kfz geltend. Die Überlassung des Kfz an die Gemeinde sah er als nicht umsatzsteuerbar an.
Das FA nahm eine Lieferung des Kfz an die Gemeinde im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes an.
Das FG ging von einer Nutzungsüberlassung an die Gemeinde als einer sonstigen Leistung aus, die in monatlichen Teilleistungen erbracht werde (FG Hamburg, Urteil vom 05.05.2006, 2 K 108/04, Haufe-Index 1558131, EFG 2006, 1865).
Entscheidung
Die Revision das FA führte zu Aufhebung des FG-Urteils und zu einer Neufestsetzung der USt. Der BFH nahm eine Lieferung des Kfz im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes an und legte als Bemessungsgrundlage die Anschaffungskosten zugrunde.
Hinweis
1. Die Überlassung von mit Werbeaufdrucken versehenen Kfz an Dritte wirft zunächst die Frage auf, ob der Vorgang überhaupt umsatzsteuerbar ist, wenn für die Überlassung – wie im Besprechungsfall – die Zahlung eines Entgelts nicht vereinbart worden ist. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der USt die Lieferungen und sonstigen Leistungen eines Unternehmers im Inland gegen Entgelt. Nach § 3 Nr. 12 S. 2 UStG kann das Entgelt auch in einer Lieferung oder sonstigen Leistung bestehen (tauschähnlicher Umsatz).
Einen tauschähnlichen und damit entgeltlichen Umsatz hat der BFH für den Fall bejaht, dass ein Unternehmer einem Luftsportverein Freiballone mit Firmenaufschriften zur Verfügung stellt, die dieser zu Sport- und Aktionsluftfahrten einzusetzen hat (Urteil vom 01.08.2002, V R 21/01, BFH/PR 2003, 73, BFH/NV 2003, 126). Die durch den Einsatz der Freiballone erbrachte Werbeleistung des Luftsportvereins ist dessen Gegenleistung. Für die Überlassung eines mit Firmenaufschriften versehenen Kfz an eine Gemeinde kann nichts anderes gelten. Sie erbringt mit der Nutzung des mit Werbeaufdrucken versehenen Kfz eine Werbeleistung.
2. Ob es sich bei der Überlassung des Kfz um eine Lieferung oder eine sonstige Leistung handelt, ist für den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer und die Bemessungsgrundlage von Bedeutung.
Für eine Lieferung und die in § 3 Abs. 1 UStG dafür geforderte Verschaffung der Verfügungsmacht hat der BFH in nunmehr ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung der Vorgaben des Gemeinschaftsrechts verlangt, dass Substanz, Wert und Ertrag des Gegenstands übertragen werden müssen (vgl. z.B. Urteil vom 09.02.2006, V R 22/03, BFH/PR 2006, 39, BFH/NV 2006, 1763).
Davon ist bei einem Leasingvertrag z.B. dann auszugehen, wenn sich die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des überlassenen Gegenstands und die Grundmietzeit annähernd decken oder dem Nutzenden ein Recht auf Mietverlängerung oder Kauf zusteht und bei Ausübung der Option nur ein geringer Preis zu zahlen ist (Urteil vom 03.08.2004, X R 55/01, BFH/NV 2005, 517). Dabei muss mit der Wahrnehmung der Option zu rechnen sein (BFH, Urteil vom 09.12.1999, III R 74/97, BFH/NV 2000, 658).
Bei der im Besprechungsfall vereinbarten Nutzungsdauer von 5 Jahren und dem Recht der Gemeinde auf kostenlose Übereignung nach Ablauf dieser Zeit ist von einer Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag des Kfz und damit von einer Lieferung auszugehen.
3. Als Bemessungsgrundlage ist bei einem tauschähnlichen Umsatz nach § 10 Abs. 2 S. 2 UStG der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz anzusetzen. Der Wert des anderen Umsatzes wird bei richtlinienkonformer Auslegung unter Beachtung von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL durch den subjektiven Wert der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung bestimmt.
Ist bei der Lieferung eines Gegenstands die Gegenleistung eine Dienstleistung, ergibt sich nach der Rechtsprechung des EuGH deren Wert aus dem Kaufpreis, den der Lieferer für den Erwerb des Gegenstands gezahlt hat, den er als Gegenleistung für die betreffende Dienstleistung liefert (Urteil vom 02.06.1994, Rs. C-33/93, "Empire Stores Ltd." Slg. 1994, I-2329, Haufe-Index 60592).
Der BFH hat sich der Rechtsprechung des EuGH zur subjektiven Bewertung beim Tausch angeschlossen. Er hat als Wert der erhaltenen Dienstleistung alle Ausgaben einschließlich der Kosten der Nebenleistungen, die der Empfänger aufwendet, um die fragliche Leistung zu erhalten, angesehen (Urteil vom 01.08.200...