Leitsatz
1. Bei der Überlassung von Grundstücksteilen zur Errichtung von Strommasten für eine Überlandleitung, der Einräumung des Rechts zur Überspannung der Grundstücke und der Bewilligung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zur dinglichen Sicherung dieser Rechte handelt es sich um eine einheitliche sonstige Leistung, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG zwar steuerbar, aber gem. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei ist.
2. Die Ausgleichszahlung für beim Bau einer Überlandleitung entstehende Flurschäden durch deren Betreiber an den Grundstückseigentümer ist kein Schadenersatz, sondern Entgelt für die Duldung der Flurschäden durch den Eigentümer.
3. Die Duldung der Verursachung baubedingter Flurschäden ist eine bloße Nebenleistung zu der einheitlichen Leistung "Duldung der Errichtung und des Betriebs einer Überlandleitung", die ebenso wie jene nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG von der Umsatzsteuer befreit ist.
Normenkette
§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1993
Sachverhalt
Der Kläger gestattete (gesichert durch beschränkt persönliche Dienstbarkeit zugunsten der B-AG) der S-AG, auf seinen Grundstücken eine Bahnstromfernleitung zu errichten und hierfür Strommasten aufzustellen. Als Entgelt waren einmalige Beträge für die von den Strommasten in Anspruch genommene Fläche und für die Überspannung einschließlich der Bewilligung der Dienstbarkeit vereinbart. Außerdem musste die S-AG "dem Nutzungsberechtigten", die beim Bau der Leitung entstehenden Flur- und Aufwuchsschäden ersetzen.
Das FA meinte – anders als das FG (EFG 2004, 1172) – jedenfalls, die Ausgleichszahlung für Flur- und Aufwuchsschäden sei nicht steuerbarer Schadenersatz.
Entscheidung
Der BFH bestätigte im Ergebnis die Entscheidung. Das FG hatte zwar zu Unrecht das Entgelt für die Flurschäden als Schadenersatz statt als Entgelt beurteilt. Der BFH nahm jedoch eine einheitliche steuerfreie Vermietungsleistung an. Weil die S-AG die Hauptleistung des Klägers nur nutzen kann, wenn sie die Bahnstromfernleitung bauen und die damit zwangsläufig verbundenen Flurschäden verursachen darf, betrifft das Entgelt hierfür eine Nebenleistung (entgegen BMF, Schreiben vom 4.5.1987, BStBl I 1987, 397).
Hinweis
1. Umfasst ein entgeltlicher Vertrag ein Bündel von Leistungen (Dienstleistungen und [auch] Lieferungen) ist, wenn unterschiedliche Leistungsorte, ein unterschiedlicher Steuersatz oder z.T. eine Steuerbefreiung in Betracht kommt, zunächst zu prüfen, ob und inwieweit es sich um selbstständige oder eine einheitliche Leistung handelt. I.d.R. ist jede Dienstleistung als selbstständige Leistung zu betrachten. Wirtschaftlich einheitliche Dienstleistungen dürfen jedoch nicht künstlich aufgespalten werden. Hierzu ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung auf das Wesen des Umsatzes abzustellen. Einheitlich zu beurteilen sind umsatzsteuerlich Haupt- und Nebenleistung. Eine Nebenleistung liegt vor, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck darstellt, sondern das Mittel, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Lässt sich ein Leistungsbündel als Haupt- und Nebenleistung beurteilen, steht damit auch die Qualifizierung der Leistung fest, denn die Nebenleistung ist umsatzsteuerrechtlich wie die Hauptleistung zu qualifizieren.
2. Verpflichtet sich z.B. – wie im Besprechungsfall – ein Landwirt zu verschiedenen im Vertrag auch in Bezug auf das Entgelt einzeln gewichteten Leistungen, die dem einheitlichen wirtschaftlichen Ziel "Duldung der Errichtung und des Betriebs einer Überlandleitung" untergeordnet sind, handelt es sich um eine einheitliche Leistung. Diese ist von der Überlassung von Grundstücksteilen für die Aufstellung der Strommasten und von der Einräumung des Rechts zur Überspannung der Grundstücke geprägt. Der i.d.R. damit verbundenen Bewilligung einer Grunddienstbarkeit (vgl. § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG) kommt nur Sicherungscharakter und damit keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. BFH, Urteil vom 11.5.1995, V R 4/92, BStBl II 1995, 610).
3. Die einheitliche Leistung "Duldung der Errichtung und des Betriebs einer Überlandleitung" ist eine Vermietung von Grundstücken i.S.d. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG. Der Begriff der Grundstücksvermietung verweist nicht auf die Zivilrechtsordnungen der Mitgliedstaaten, sondern ist gemeinschaftsrechtskonform auszulegen (EuGH, Urteil vom 16.1.2003, Rs. C-315/00, Rudolf Maierhofer, BFH-PR 2003, 189). Das Wesen der Vermietung besteht darin, dass der Vermieter eines Grundstücks dem Mieter gegen Zahlung des Mietzinses für eine vereinbarte Dauer das Recht überträgt, seine Sache zu gebrauchen und andere davon auszuschließen. Keine Vermietung liegt (nur) vor, wenn mit der "Nutzungsüberlassung" der endgültige und vollständige Verlust der wirtschaftlichen Herrschaftsmacht verbunden ist.
4. Führt ein wirtschaftliches Vorhaben, zu dessen Verwirklichung vertragliche Vereinbarungen geschlossen werden, zwangsläufig zu Schäden bei einem Vertragspartner und wird hierfür ein am Umfang der Schäden orientierter Ausgleic...