Kein Aufteilungsgebot bei Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks mit Betriebsvorrichtungen
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG ist die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken steuerfrei. Unionsrechtlich beruht dies auf dem insoweit gleichlautenden Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL.
Von dieser Steuerfreiheit schließt § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG insbesondere die Vermietung und die Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art aus, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind. Unionsrechtlich ergibt sich dies aus Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c MwStSystRL, der die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen von der Steuerfreiheit ausschließt. Zudem ordnet Art. 135 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL an, dass die Mitgliedstaaten Ausnahmen von der Befreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL vorsehen können.
Sachverhalt: Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen als Nebenleistung zur nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfreien Vermietung von Gebäuden
Der Kläger verpachtete Stallgebäude zur Putenaufzucht einschließlich Betriebsvorrichtungen. Bei den Vorrichtungen handelte es sich um speziell abgestimmte Ausstattungselemente für die vertragsgemäße Nutzung als Putenaufzuchtstall, wie Fütterungs- Heizungs- und Lüftungsanlagen. Spezielle Beleuchtungssysteme sorgten für eine gleichmäßige Ausleuchtung entsprechend besonderer Rechtsvorschriften und Verbandsrichtlinien. Der Kläger rechnete ein Pauschalentgelt ab, das nicht auf die Überlassung des Stalls einerseits und die Vorrichtungen und Maschinen andererseits aufgeteilt war.
Der Kläger ging davon aus, dass seine Leistung bei der Verpachtung der Stallgebäude zur Putenaufzucht mit den auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen insgesamt steuerfrei sei.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Vermietungsleistung in eine steuerfreie Grundstücksvermietung und eine steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen aufzuteilen sei. Da das Pachtentgelt zu 20% auf die Vorrichtungen und Maschinen entfalle, sei es insoweit steuerpflichtig. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG gehe den Abgrenzungsmerkmalen von Haupt- und Nebenleistung und dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung vor. Es handele sich um ein Aufteilungsgebot.
Der gegen die Einspruchsentscheidung eingelegten Klage gab das Finanzgericht statt. Es läge eine einheitliche Leistung vor, da das angebotene Gebäude mit begleitenden Leistungen in wirtschaftlicher Hinsicht objektiv eine Gesamtheit gebildet habe. Die Leistung sei daher insgesamt steuerfrei.
Entscheidung: BFH bestätigt die Auffassung des Finanzgerichts
Zunächst hatte der BFH das Verfahren gemäß § 74 FGO ausgesetzt (Beschluss v. 26.5.2021, V R 22/20, BFH/NV 2021, 1316) und dem EuGH die Frage, ob die Steuerpflicht der Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen gemäß Art. 135 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL nur die isolierte (eigenständige) Vermietung derartiger Vorrichtungen und Maschinen erfasst oder auch die Vermietung (Verpachtung) derartiger Vorrichtungen und Maschinen, die aufgrund einer zwischen denselben Parteien erfolgenden Gebäudeverpachtung (und als Nebenleistung zu dieser) nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. I MwStSystRL steuerfrei ist.
Kein Erfordernis, einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang in eigenständige Leistungen aufzuteilen
Im Anschluss an das hierzu ergangene Urteil des EuGH (Urteil v. 4.5.2023, C-516/21, BFH/NV 2023, 943) entschied der BFH, dass das sog. Aufteilungsgebot des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG nicht auf die Vermietung oder Verpachtung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen anzuwenden ist, wenn es sich hierbei um eine Nebenleistung zur Vermietung oder Verpachtung eines Gebäudes als Hauptleistung handelt, die im Rahmen eines zwischen denselben Parteien geschlossenen Vertrags nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei ist, sodass eine wirtschaftlich einheitliche Leistung vorliegt.
Insbesondere ergibt sich aus Art. 135 Abs. 2 MwStSystRL kein Erfordernis, einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang in eigenständige Leistungen aufzuteilen.
Daher ist in Bezug auf die Verpachtung eines Zuchtstalls und der in diesem Gebäude auf Dauer eingebauten Anlagen, die speziell an diese Zucht angepasst sind, wobei der Pachtvertrag zwischen denselben Parteien geschlossen ist und ein einheitliches Entgelt vorliegt, zu prüfen, ob diese Leistungen eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellen. Im Fall einer wirtschaftlich einheitlichen Leistung, die zusammengesetzt ist aus einer steuerbefreiten Hauptleistung in Form der Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks und einer mit der Hauptleistung untrennbar verbundenen Nebenleistung, die grundsätzlich von dieser Befreiung ausgeschlossen ist, die Nebenleistung – gleichwohl – steuerlich ebenso zu behandeln wie die Hauptleistung.
Überlassung der Betriebsvorrichtungen ist Nebenleistung zur Stallüberlassung
Im Streitfall liegt eine einheitliche Leistung vor, bei der die Überlassung der Betriebsvorrichtungen Nebenleistung zur Stallüberlassung war.
Bei den Vorrichtungen und Maschinen handelt es sich um speziell abgestimmte Ausstattungselemente, die nur dazu dienten, die vertragsgemäße Nutzung des Putenstalls unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. So wurden die Vorrichtungen für die Fütterung von Tieren in der Putenhaltung verwendet, um diese in der vorgegebenen Zeit zur Schlachtreife aufzuziehen. Heizungs- und Lüftungsanlagen waren notwendig, um den Anforderungen an das Stallklima gerecht zu werden. Spezielle Beleuchtungssysteme dienten einer gleichmäßigen Ausleuchtung. Bei den weiteren Anlagen zur Fütterung handelte es sich somit um Gegenstände, die für die Nutzung der gepachteten Ställe nützlich oder sogar notwendig waren. Das Gebäude gewährleistete den Schutz und die Wärme der Puten zur Mast.
Es lag daher insgesamt eine steuerfreie Leistung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 UStG vor.
Hinweis: Änderung der Rechtsprechung
An der bisherigen Annahme (BFH v. 28.5.1998, V R 19/96, BStBl II 2010, 307), wonach die Vermietung und Verpachtung von Betriebsvorrichtungen nicht umsatzsteuerbefreit ist, selbst wenn diese wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind (so auch UStAE Abschn. 4.12.10 Satz 1), hält der BFH nicht mehr fest, da § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG entsprechend Art. 15 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c MwStSystRL richtlinienkonform auszulegen ist (Änderung der Rechtsprechung).
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