Leitsatz
Wird ein Grundstück des Betriebsvermögens im Hinblick auf ein behördlich angeordnetes Nutzungsverbot veräußert, so können die aufgedeckten stillen Reserven grundsätzlich auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden, auch wenn dieses vor der Veräußerung erworben wird, sofern zwischen beiden Vorgängen ein ursächlicher Zusammenhang besteht.
Normenkette
§ 5 EStG
Sachverhalt
Der Kläger betreibt den Handel mit Lkws und anderen Nutzfahrzeugen in A. Am 23.9.1985 untersagte ihm die Ordnungsbehörde die Nutzung seines Grundstücks zu gewerblichen Zwecken zum 1.5.1986.
Daraufhin erwarb der Kläger noch in 1985 ein Ersatzgrundstück in B, beauftragte im Jahr 1986 einen Makler mit der Veräußerung des Grundstücks in A und verlegte im Jahr 1987 seinen Betrieb nach B. Erst im Januar 1992 konnte das ehemalige Betriebsgrundstück in A verkauft werden, nachdem dem Kläger einzelne vorherige Angebote zu niedrig waren.
Den erzielten Veräußerungsgewinn wollte der Kläger mit den Anschaffungskosten für das Ersatzgrundstück saldieren. Das FA unterwarf hingegen die aufgedeckten stillen Reserven in voller Höhe im Jahr 1992 der Besteuerung.
Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück, weil er die Voraussetzungen für eine Kürzung der Anschaffungskosten nach den Grundsätzen der RfE nicht als gegeben ansah.
Da zwischen der vorgezogenen Ersatzbeschaffung und der späteren Veräußerung ein Zeitraum von mehr als sechs Jahren gelegen habe, könne der ursächliche Zusammenhang nicht mehr angenommen werden. Anschaffung und Veräußerung seien nicht mehr im Rahmen eines mehr oder weniger einheitlichen Vorgangs abgewickelt worden.
Nach den Feststellungen des FG sei der Kläger nicht an einer früheren Veräußerung gehindert gewesen; vielmehr sei es ihm darauf angekommen, einen möglichst günstigen Kaufpreis zu erzielen. Dazu habe er auch in Kauf genommen, längere Zeit mit der Veräußerung zu warten.
Hinweis
1. Die Grundsätze zur Rücklage für Ersatzbeschaffung (RfE) bzw. zur Übertragung des Buchgewinns auf ein Ersatzwirtschaftsgut (mit der Folge der Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten) zur Vermeidung der Aufdeckung von stillen Reserven sind von der Rechtsprechung des RFH entwickelt und vom BFH fortgeführt worden. Die Finanzverwaltung hat diese Grundsätze übernommen (vgl. R 35 EStR).
Voraussetzung ist, dass ein Wirtschaftsgut durch höhere Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet und alsbald ein funktionsgleiches Ersatzwirtschaftsgut angeschafft wird.
Gegenstand der Rücklage bzw. der Anschaffungskostenkürzung kann bei zwangsweiser Veräußerung eines Wirtschaftsguts (z.B. aufgrund einer behördlichen Anordnung) auch der Veräußerungsgewinn sein.
2. Die Ersatzbeschaffung folgt in der Regel dem Veräußerungsvorgang nach. Zulässig ist aber auch eine Ersatzbeschaffung vor der Veräußerung. In diesem Fall muss allerdings der ursächliche Zusammenhang zwischen dem behördlichen Eingriff und der Ersatzbeschaffung einwandfrei dargelegt werden.
3. Bei vorgezogener Ersatzbeschaffung erkennt der BFH den ursächlichen Zusammenhang dann noch an, wenn zwischen dem Neuerwerb und der Veräußerung nicht mehr als zwei bis drei Jahre vergangen sind.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.6.2001, XI R 5/00