BMF, Schreiben v. 8.1.2004, IV C 3 - S 2255 - 510/03, BStBl I 2004, 191
Einkommensteuerrechtliche Behandlung von wiederkehrenden Leistungen im Zusammenhang mit der Übertragung von Privat- oder Betriebsvermögen;
Beschlüsse des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 12.5.2003, GrS 1/00 und GrS 2/00
Bezug: TOP 15 der Sitzung mit den für die Einkommensteuer zuständigen Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10. bis 12.12.2003 (ESt VIII/03)
Mit den Beschlüssen vom 12.5.2003 hat der Große Senat des BFH zwei grundsätzliche Entscheidungen zur Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen getroffen.
In dem Beschluss mit dem Aktenzeichen GrS 1/00 hat er entschieden, dass wiederkehrende Leistungen, die im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbart werden, dann nicht als dauernde Last abziehbar sind, wenn sie nicht aus den erzielbaren laufenden Nettoerträgen des übergebenen Vermögens bestritten werden können. Es genügt nicht, wenn das übergebene Vermögen lediglich seiner Art nach existenzsichernd und ertragbringend ist („Typus 2” i.S. von Tz. 17 des BMF-Schreibens vom 26.8.2002, BStBl 2002 I S. 893), Nettoerträge im konkreten Fall jedoch die versprochenen Sach- oder Geldleistungen nicht abdecken. Für die Ertragsprognose (i.S. von Tz. 15 des o.g. BMF-Schreibens) sind die Ertragserwartungen in dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich. Erfüllen sich diese nicht, sind hieraus keine Konsequenzen zu ziehen. Bei der Übergabe von Unternehmen ist zu vermuten, dass die Vertragschließenden von ausreichenden Erträgen ausgegangen sind. Auch ein Nutzungsvorteil kann als Ertrag angesehen werden. Verpflichtet sich der Übernehmer ertraglosen Vermögens im Übergabevertrag zur Umschichtung in eine ihrer Art nach bestimmte ertragbringende Anlage, kann eine unentgeltliche Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen vorliegen.
In dem Beschluss mit dem Aktenzeichen GrS 2/00 hat der Große Senat entschieden, dass bei der Übergabe eines Unternehmens, das weder über einen positiven Substanz- noch über einen positiven Ertragswert verfügt, kein „Vermögen” an die nachfolgende Generation übertragen wird. Auch wenn die Nettoerträge des übergebenen Betriebs ausreichen, um die dem Übergeber versprochenen Leistungen abzudecken, kann der Ertragswert negativ sein, weil die der Wertermittlung zugrundegelegten Gewinne um einen Unternehmerlohn zu kürzen sind.
Bis zu einer Überarbeitung des BMF-Schreibens vom 26.8.2002 ist im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder in allen offenen Fällen wie folgt zu verfahren:
- Die Rechtsgrundsätze der Beschlüsse des Großen Senats des BFH sind anzuwenden, sofern dies vom Übergeber und vom Übernehmer übereinstimmend beantragt wird.
- Beantragen Übergeber und Übernehmer übereinstimmend die weitere Anwendung des o.g. BMF-Schreibens, ist den Anträgen zu folgen.
- Wird ein Antrag nicht gestellt, sind die Rechtsgrundsätze der Beschlüsse des Großen Senats des BFH anzuwenden. Veranlagungen sind in derartigen Fällen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 AO durchzuführen.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt veröffentlicht.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a
EStG § 22 Nr. 1
Fundstellen
BStBl I, 2004, 191