Leitsatz
Die Leistungen eines Unternehmers, der die Durchführung von Sprachstudienaufenthalten im Ausland einschließlich Beförderung und Betreuung im eigenen Namen anbietet, können als einheitliche Leistung unter die Sonderregelung des § 25 UStG für Reiseleistungen fallen. Auf den Zweck oder die Dauer des Auslandsaufenthalts der Teilnehmer kommt es insoweit nicht an.
Normenkette
§ 4 Nr. 23, § 25 UStG 1993, Art. 26 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin organisierte Sprachstudienaufenthalte für Schüler im Alter von 15 bis 18 Jahren, die für drei, fünf oder zehn Monate eine High-school oder eine vergleichbare Schule im Ausland besuchen wollen.
Die Klägerin schuldete den Teilnehmern die Verschaffung eines Schülerplatzes und unter Mithilfe einer Partnerorganisation, mit der die Klägerin ständig zusammenarbeitet, von Gastfamilien.
Ein Beauftragter der Partnerorganisation stand als Ansprechpartner zur Verfügung; über diese konnte der Teilnehmer Ausflüge buchen.
Der Preis umfasste sämtliche Flüge, Wohnung und Verpflegung bei der Gastfamilie, Unterricht an der Highschool, Betreuung durch die Partnerorganisation, Vorbereitungstreffen, Vorbereitungsmaterial, Reiserücktrittsversicherung.
Entscheidung
Im Streitfall waren die "eingekauften" Reiseleistungen – wie der Transfer in das Bestimmungsland und/oder der Aufenthalt und die Betreuung durch das Partnerunternehmen in diesem Land – keine Nebenleistungen zu einer "eigenen" (d.h. ohne Reisevorleistung erbrachten) Hauptleistung der Klägerin; es waren auch die auf die Reisevorleistungen entfallenden Aufwendungen kein bloß marginaler Teil gegenüber dem Betrag, der der Leistung im Zusammenhang mit der Sprachausbildung und -erziehung entsprach.
Diese Leistungen konnten deshalb auch nicht als "Nebenleistungen zu den Leistungen im Zusammenhang mit der Sprachausbildung und -erziehung" gleichgesetzt werden.
Die Klägerin trat – auch hinsichtlich der Flüge – gegenüber den Leistungsempfängern (Schülern und Studenten) im eigenen Namen auf. Insoweit handelt es sich um Reisevorleistungen i.S.v. § 25 Abs. 1 Satz 5 UStG.
Der BFH entschied, eine Einordnung des "Leistungsbündels" der Klägerin unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 23 UStG komme nicht in Betracht, weil das gegen Pauschalentgelt angebotene Leistungsbündel nicht durch Umsätze der Klägerin zur Sprachausbildung und -erziehung der Schüler und Studenten während der Auslandsaufenthalte, sondern durch die als Reiseleistungen zu beurteilenden Leistungen geprägt sei.
Hinweis
Der BFH hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, "gilt die Sonderregelung für Reisebüros in Art. 26 der 6. EG-RL auch für Umsätze eines Veranstalters von sog. ,High-School-Programmen` und ,College-Programmen` mit Auslandsaufenthalt von drei bis zehn Monaten, die den Teilnehmern im eigenen Namen angeboten werden und für deren Durchführung Leistungen anderer Steuerpflichtiger in Anspruch genommen werden"?
Der EuGH hat die Frage im Urteil vom 13.10.2005, Rs. C-200/04, iSt (BFH-PR 2006, 25) bejaht. Die Sonderregelung für Reiseleistungen setzt nicht voraus, dass der Unternehmer ein Reisebüro im herkömmlichen Sinn ist. Reiseleistungen i.S.d. § 25 UStG sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich meist aus mehreren Leistungen – insbesondere Beförderungs- und Unterbringungsleistungen – zusammensetzen.
Die Sonderregelung des § 25 UStG ist allerdings ausgeschlossen, wenn die von den anderen Unternehmern bezogenen und den Reisenden unmittelbar zugute kommenden Leistungen (Reisevorleistungen) nur Hilfscharakter zu den anderen (ohne Inanspruchnahme von Reisevorleistungen ausgeführten) Leistungen des Unternehmers (als Hauptleistungen) haben (z.B. ein Hotelier erbringt auch Beförderungsleistungen, um seine Gäste von und zum Bahnhof zu bringen).
Der Zweck oder die Dauer der Reise spielt für die Anwendbarkeit des § 25 UStG auf Reiseleistungen keine Rolle.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 1.6.2006, V R 104/01 (Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 13.10.2005, Rs. C-200/04 iSt internationale Sprach- und Studienreisen GmbH)