Wegen seiner deutlich engeren Auslegung der von der grundsätzlichen Umsatzsteuerfreiheit bezüglich Grundstücksvermietungen umfassten Nebenleistungen hat der EuGH mit seinem im Jahre 2015 Urteil ergangenen Urteil Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie (WAM) einiges Aufsehen erregt.
Das vorlegende polnische Gericht fragte u.a. an, ob die eine Vermietungsleistung begleitende Lieferung von Wasser, Elektrizität und Wärme sowie die Abfallentsorgung eine einheitliche Leistung mit dieser Vermietungsleistung bilden oder ob es sich um mehrere unterschiedliche und unabhängige Leistungen handelt, die unter umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten getrennt zu beurteilen sind.
Der EuGH bejahte die grundsätzliche Eigenständigkeit der genannten Versorgungsleistungen unter der Voraussetzung, dass der Mieter über die Möglichkeit verfügt, die Lieferanten und/oder die Nutzungsmodalitäten auszuwählen. Ein wichtiges Indiz für eine solche Entscheidungsmöglichkeit des Mieters sei insbesondere in der Anbringung von individuellen Zählern für den Verbrauch von Wasser, Elektrizität oder Wärme und der verbrauchsabhängigen Rechnungsstellung zu sehen. Bezogen auf die Abfallentsorgung führt der EuGH aus, dass eine selbständige, von der Vermietung getrennt zu beurteilende Leistung bereits anzunehmen ist, wenn der Mieter das Entsorgungsunternehmen selbst auswählen oder unmittelbar einen Vertrag mit diesem schließen kann, auch wenn er diese Möglichkeit aus Gründen der Einfachheit nicht wahrnimmt.
Obwohl vom vorlegenden Gericht nicht ausdrücklich angefragt, äußert sich der EuGH mit Bezug auf seine in Vorjahren ergangenen Urteile "RLRE Tellmer Property" und "Field Fisher Waterhouse" auch zu "Dienstleistungen wie der Reinigung der Gemeinschaftsräume". Diese seien als von der Vermietung getrennt zu würdigende Leistungen anzusehen, wenn sie von jedem Mieter einzeln oder von den Mietern gemeinsam organisiert werden können.
Bereits im Jahr 2015 hat der BFH die Anwendbarkeit der "WAM"-Rechtsprechung grundsätzlich bejaht. Im Jahr 2021 sind sowohl das Niedersächsische FG als auch das FG Münster dem EuGH ausdrücklich gefolgt. Im vom FG Niedersachsen entschiedenen Fall begehrte ein Vermieter den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung von Photovoltaikanlagen zur Stromversorgung der von ihm vermieteten Wohnungen. Mit Hinweis auf das in der "WAM"-Rechtsprechung ausdrücklich erwähnte Vorhandensein von individuellen Stromzählern bejahte das Gericht die Selbständigkeit der Stromlieferung an die Mieter und ließ den Vorsteuerabzug zu. Aus Sicht des Gerichtes ist es für die Annahme einer eigenen Hauptleistung weiterhin ausreichend, wenn der Mieter die generelle Möglichkeit hat, einen anderen Stromanbieter zu wählen, auch wenn er aufgrund einer Zusatzvereinbarung mit dann erforderlichen Umrüstungskosten der Zähler belastet würde.
Um den Vorsteuerabzug einer Vermieterin von Wohnungen, in diesem Fall aus Baumaßnahmen hinsichtlich einer Kesselanlage und einer Heizung zur Versorgung von vermieteten Wohnungen, ging es auch in dem Verfahren vor dem FG Münster. Abermals verfügte jeder Mieter über Einzelzähler zur Erfassung der individuellen Wärmemengen. Unter Berufung auf die "WAM"-Rechtsprechung sah die Vermieterin die Energielieferungen als selbständige steuerpflichtige Leistungen an die Mieter an. Die Finanzverwaltung wies in diesem Verfahren ausdrücklich auf eine Einigung zwischen zuständigen Bund und Länderreferaten hin, die besagt, dass die dem "WAM"-Verfahren zugrunde liegenden Verhältnisse in Polen nicht auf deutsche Gegebenheiten übertragbar seien. Dem folgte das Gericht nicht, sondern entschied im Sinne der Vermieterin. In der Urteilsbegründung hebt es neben der individuellen Verbrauchsregelung durch die Mieter die gesonderte Abrechnung über die Mietnebenkostenabrechnungen hervor. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache haben beide Gerichte die Revision zugelassen. Die Verfahren sind derzeit beim BFH anhängig.
Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist ein Unternehmer verpflichtet, zumindest an andere Unternehmer eine Rechnung i.S.d. Umsatzsteuergesetzes über die von ihm erbrachte Leistungen auszustellen. Doch auch an Privatpersonen werden in der Regel Rechnungen gestellt. Um nicht die negativen Rechtsfolgen des § 14c UStG auszulösen, sind bei Anwendung der "WAM"-Rechtsprechung im Abrechnungsteil des Rechnungsbeleges nicht nur die Vorschriften des § 14 Abs. 4 Nr. 7 und 8 UStG, sondern auch des § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG zu beachten. Dies bedeutet, dass "echte" umsatzsteuerliche Nebenleistungen zur Vermietung im Gegensatz zu selbständigen Hauptleistungen auch entsprechend benannt werden müssen.
Die beiden oben zu findenden Beispielsfälle änderten sich bei Anwendung der Grundsätze des WAM-Urteils daher wie folgt:
Beispiel 1a
Betriebskostenabrechnung bei umsatzsteuerfreier Vermietung unter Anwendung der "WAM"-Rechtsprechung
Der Unternehmer U (kein Kleinunternehmer) vermietet eine Immobilie zu Wohnzwecken an zwei Mietparteien. Jede Miet...