Leitsatz

Nimmt der Schuldner während des Insolvenzverfahrens eine neue Erwerbstätigkeit auf, indem er durch seine Arbeit und mit Hilfe von nach § 811 Nr. 5 ZPO unpfändbaren Gegenständen steuerpflichtige Leistungen erbringt, zählt die hierfür geschuldete USt nicht nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu den Masseschulden.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG , § 35 InsO , § 36 InsO , § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO , § 811 Nr. 5 ZPO

 

Sachverhalt

Der Kläger war zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des S, eines Bauunternehmers, bestellt worden. Mangels vorhandener Mittel meldete er das Gewerbe im Juli 2000 ab.

Zum 1.1.2001 meldete S ein neues Gewerbe unter der Fa. "A-Bau, Inhaber S" an und betrieb dieses auch. S gab zwar Umsatzsteuervoranmeldungen ab, führte den pfändbaren Neuerwerb jedoch nicht an die Masse ab. Das FA setzte in der Annahme, die Umsatzsteuerschuld sei eine Masseverbindlichkeit, gegenüber dem Kläger, dem Insolvenzverwalter, für das Jahr 2002 eine Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung fest. Die Klage hatte Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Das FG muss prüfen, ob S zu dem in § 811 Nr. 5 ZPO genannten Personenkreis gehört und seine Umsätze mit Hilfe von Gegenständen erzielte, die nach § 811 Nr. 5 ZPO unpfändbar waren. Ist das der Fall, zählt dessen Umsatzsteuerschuld nicht zu den Masseverbindlichkeiten.

Beachten Sie: Auf die Frage, ob die Entgelte, die der Schuldner für seine steuerpflichtige Tätigkeit erhält, gem. § 35 InsO in die Insolvenzmasse fallen und ob der Insolvenzverwalter sie zur Masse ziehen muss (vgl. BGH, Urteil vom 20.3.2003, IX ZB 388/02, Zeitschrift für Insolvenzrecht – ZInsO – 2003, 413), kommt es nicht an, denn der USt unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG nicht die Entgelte für die Lieferung von Gegenständen und sonstige Leistungen, sondern die Lieferungen und die sonstigen Leistungen selbst. Entscheidend ist deshalb, ob die Steuerschulden aus einer insolvenzfreien Tätigkeit des Schuldners herrühren und nicht, ob die Entgelte in die Insolvenzmasse fallen.

 

Hinweis

Die Entscheidung betrifft die Frage, ob die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund einer neuen gewerblichen Tätigkeit des Schuldners entstandene Umsatzsteuerschuld eine Masseverbindlichkeit darstellt.

Nach § 51 Nr. 1 InsO sind Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden.

Die von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfassten Verbindlichkeiten können nicht nur durch Handlungen des Insolvenzverwalters – d.h. die Amtstätigkeit des Insolvenzverwalters wie z.B. die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse – begründet werden (so bereits zu § 58 Nr. 2 der Konkursordnung (KO) z.B. BFH, Urteil vom 16.8.2001, V R 59/99, BFH-PR 2002, 101). Als Verwertung der Masse ist auch die ertragbringende Nutzung der zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenstände anzusehen (so bereits zur KO: BFH, Urteil vom 15.3.1995, I R 82/93, BFHE 177, 257).

Beginnt der Insolvenzschuldner eine neue unternehmerische Tätigkeit, ist zu prüfen, ob er in seinem neuen Betrieb Gegenstände einsetzt, die zur Insolvenzmasse gehören.

Nach § 35 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Nicht zur Insolvenzmasse gehören aber Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO).

Bei Personen, die aus ihrer körperlichen oder geistigen Arbeit oder sonstigen persönlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen, unterliegen die zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände nicht der Zwangsvollstreckung (§ 811 Nr. 5 ZPO); sie fallen deshalb auch nicht in die Insolvenzmasse. Die Umsatzsteuer aus der Erwerbstätigkeit von Personen, die durch ihre Arbeit und mit Hilfe von nach § 811 Nr. 5 ZPO unpfändbaren Gegenständen steuerpflichtige Leistungen erbringen, zählt deshalb nicht nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu den Masseschulden.

Beachten Sie: Zu den Personen, die gem. § 811 Nr. 5 ZPO aus ihrer körperlichen oder geistigen Arbeit oder sonstigen persönlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen, gehören auch Bauunternehmer, soweit ihre persönliche Arbeit die Hauptsache ist (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 63. Auflage, München 2005, § 811 Rn. 35).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 7.4.2005, V R 5/04

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