BMF, Schreiben v. 17.10.1979, IV A 2 - S 7112 - 5/79, BStBl I 1979, 624
Bezug: Besprechung mit den Umsatzsteuerreferenten der Länder (USt V/79) und Ihre Stellungnahmen
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang die Umsatzsteuer bei halbfertigen Arbeiten (Werklieferungen) entsteht, wenn über das Vermögen des leistenden Unternehmers das Konkursverfahren eröffnet worden ist, wie folgt Stellung genommen:
Maßgeblich für die Entscheidung der Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt ein Umsatzsteueranspruch begründet wird (§ 3 Abs. 1 KO) und welcher konkursrechtlichen Behandlung dieser Anspruch unterliegt, ist nach Auffassung des BFH in seinem Urteil vom 2. Februar 1978 - V R 128/76 - (BStBl II S. 483) das Verhalten des Konkursverwalters. Jede nach § 17 KO mögliche Verhaltensweise des Konkursverwalters bedingt eine unterschiedliche Entscheidung der Frage, ob eine Werklieferung ausgeführt wird, die als Grundlage einer konkursbezogenen Steuererhebung in Betracht gezogen werden muß. Dabei sind drei Fälle zu unterscheiden:
Weder der Konkursverwalter noch der Auftraggeber erklären sich dazu, ob das Vertragsverhältnis erfüllt werden soll.
In diesem Fall bleibt es umsatzsteuerrechtlich bei einem Schwebezustand. Die umsatzsteuerliche Erfassung der vom Gemeinschuldner bewirkten Werklieferung ist erst nach Abschluß des Konkursverfahrens möglich, sofern und soweit nicht der Besteller Vorauszahlungen geleistet hatte und eine Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten stattfindet. Es ist von vornherein noch nicht abzusehen, ob die auf noch nicht vollendeten Leistungen entfallende Umsatzsteuer nicht doch im Laufe des Konkursverfahrens anfallen wird.
Daraus, daß der Werkvertrag vom Konkurs unberührt bleibt, ist aber nicht zu folgern, daß eine Umsatzsteuerforderung wegen des nur teilweise fertiggestellten Bauwerks in dem betreffenden Konkursverfahren nicht geltend gemacht werden könnte. Diese Forderung ist vielmehr als aufschiebend bedingt (§ 67 KO) anzusehen. Die Bedingung kann darin bestehen, daß der Konkursverwalter die Erfüllung nach § 17 Abs. 1 KO ablehnt oder die Ablehnung der Erfüllung als eingetreten gilt (§ 17 Abs. 2 Satz 2 KO). Sie kann aber auch darin gesehen werden, daß die Gemeinschuldnerin (eine juristische Person) ohne Gesamtrechtsnachfolger erlischt.
Die aufschiebend bedingte Forderung ist unter den Voraussetzungen des § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO als bevorrechtigte Konkursforderung geltend zu machen. Dabei kann außer Betracht bleiben, daß sie gemäß § 17 Abs. 1, § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO auch als Masseschuld entstehen kann (siehe nachfolgende Nr. 2). Im Regelfall wird der Konkursverwalter das Bauwerk nicht mehr vollenden können. Erfüllt der Konkursverwalter den Werkvertrag später dennoch, hat das Finanzamt die Steuerforderung als Masseschuld geltend zu machen.
Der Konkursverwalter erfüllt den Werkvertrag und verlangt vom Auftraggeber die entsprechende Gegenleistung.
In diesem Fall entsteht die Steuerschuld auf Grund der vom Konkursverwalter anstelle des Gemeinschuldners vorgenommenen unternehmerischen Handlung als Masseschuld gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO.
Der Konkursverwalter lehnt die Erfüllung des Vertrages - entweder aus eigenem Antrieb nach § 17 Abs. 1 KO oder auf Anfrage des Vertragspartners nach § 17 Abs. 2 KO - ausdrücklich ab.
Durch die Erklärung des Konkursverwalters, den Vertrag nicht zu erfüllen, ist die Werklieferung nach Maßgabe des vorhandenen (gegenüber dem ursprünglichen Liefergegenstand nur halbfertigen) Werkes bestimmt. Die hierauf entfallende Umsatzsteuer resultiert aus der Tätigkeit des Gemeinschuldners vor der Konkurseröffnung. Die Erklärung des Konkursverwalters, die Erfüllung nach § 17 KO abzulehnen, führt dazu, daß am tatsächlich erbrachten Teil der Leistung bereits mit dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung die Verfügungsmacht verschafft worden ist. Der sich hieraus ergebende Steuerbetrag ist eine nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO bevorrechtigte Konkursforderung.
Dieses Schreiben wird in die USt-Kartei aufgenommen.
Normenkette
KO § 3 Abs. 1
KO § 17
KO § 67
Fundstellen
BStBl I, 1979 , 624