OFD Koblenz, Verfügung v. 7.4.2003, S 7100 A – St 44 3
Die Frage, wann bei Sammeleinlagerung oder Verwahrung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Düngemitteln eine Lieferung der Ware stattfindet, ist abhängig von den vertraglichen Vereinbarungen.
Beispiel 1:
Mehrere Landwirte lagern die von ihnen erzeugten landwirtschaftlichen Produkte, z.B. Getreide, nach der Ernte bei einem Landhändler ein. Aus räumlichen Gründen werden die von den einzelnen Landwirten übergebenen Mengen zusammen gelagert. Nach den vertraglichen Vereinbarungen kann der Landhändler erst dann über das Getreide verfügen, wenn der jeweilige Landwirt ihn dazu ermächtigt.
Die Landwirte verschaffen dem Landhändler mit der Einlagerung noch keine Verfügungsmacht an dem Getreide. Dies geschieht erst zu dem Zeitpunkt, zu dem sie den Landhändler ermächtigen, über das Getreide zu verfügen. Erst dann werden die Lieferungen bewirkt.
Der Landhändler erbringt mit der Einlagerung sonstige Leistungen an die Landwirte.
Beispiel 2:
Ein Landwirt veräußert von ihm erzeugte Produkte, z.B. Getreide, an mehrere Landhändler und schließt gleichzeitig Verwahrungsverträge mit ihnen ab. Darin verpflichtet sich der Landwirt, das Getreide bis zur Abholung durch den jeweiligen Landhändler gegen Entgelt aufzubewahren. Die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung hängt vom weiteren Sachverhalt ab.
a) Sammeleinlagerung
Der Landwirt lagert das Getreide in einem Sammellager. Nach den vertraglichen Vereinbarungen kann der Landhändler seinen Anteil an dem Getreide mit Vertragsabschluss an sich oder einen Dritten ausliefern lassen oder an einen Dritten abtreten.
Der Landwirt liefert das Getreide im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an die Landhändler. Er befähigt den jeweiligen Landhändler, im eigenen Namen über den Gegenstand der Lieferung – hier Miteigentumsanteil an dem im Sammellager befindlichen Getreide – zu verfügen. Zivilrechtlich sind die Landhändler Miteigentümer an dem Getreide. Die Veräußerung eines Miteigentumsanteils ist zwar grundsätzlich keine Lieferung eines Gegenstandes, sondern die Übertragung eines Rechts und somit eine sonstige Leistung. Hier ist jedoch eine andere Beurteilung geboten, weil der Sach- und nicht der Rechtserwerb im Vordergrund steht. Ein Miteigentumsanteil an dem im Sammellager befindlichen Getreide ist folglich ein Gegenstand i.S. von § 3 Abs. 1 UStG.
Etwas anderes gilt, wenn der Landhändler nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht mit Vertragsabschluss, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt, z.B. bei Aufteilung und Abholung des Getreides über seinen Miteigentumsanteil verfügen kann. Dann liegt die Lieferung erst in dem späteren Zeitpunkt vor.
b) getrennte Lagerung einer dem Gewicht nach festgelegten Menge
Der Landwirt lagert das gewogene Getreide bei Abschluss der Kauf- und Verwahrungsverträge getrennt bzw. in genau bezeichneten Behältnissen (Säcken, Silo). Gegenstand der Lieferung ist das getrennt gelagerte Getreide. Zivilrechtlich sind die Landhändler Eigentümer des getrennt gelagerten Getreides. Die dazu erforderliche Übergabe ist durch den Verwahrungsvertrag (Besitzkonstitut i.S. von § 930 BGB) ersetzt. Der Landwirt verschafft den Landhändlern mit Vertragsabschluss die Verfügungsmacht an dem getrennt gelagerten Getreide, sodass in diesem Zeitpunkt Lieferungen gegeben sind.
Einigen sich die Vertragsparteien bei der körperlichen Übergabe des getrennt gelagerten Getreides auf die Lieferung zusätzlicher Getreidemengen, liegt hinsichtlich der zusätzlichen Mengen eine weitere Lieferung vor. Diese zweite Lieferung erfolgt im Zeitpunkt der körperlichen Übergabe der weiteren Menge.
c) getrennte Lagerungen einer dem Gewicht nach geschätzten Menge
Der Landwirt lagert das Getreide bei Abschluss der Kauf- und Verwahrungsverträge getrennt. Das Gewicht haben die Vertragsparteien geschätzt und das Entgelt danach bemessen. Das tatsächliche Gewicht wird bei der Auslagerung festgestellt.
Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sind Lieferungen gegeben, siehe b). Es wird gebeten davon auszugehen, dass Abweichungen zum geschätzten Gewicht von den Vertragsparteien als Schätzungsfehler in Kauf genommen worden sind. Gegenstand des Kaufvertrages bleibt die getrennt lagernde Getreidepartie, deren Gewicht erst bei Auslagerung festgestellt wird. Änderungen in der Bemessungsgrundlage sind nach § 17 UStG zu berücksichtigen.
Ob die Verwahrung eine Nebenleistung zur Getreidelieferung oder eine selbstständige Leistung ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Kommt der Verwahrung kein besonderes Gewicht zu, ist sie eine Nebenverpflichtung des Verkäufers aus dem Kaufvertrag und teilt als Nebenleistung das Schicksal der Lieferung. Kommt der Verwahrung ein besonderes Gewicht zu, z.B. bei langer Laufzeit des Verwahrungsvertrages oder aufwendiger Lagerart, ist sie eine selbständige sonstige Leistung.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 1
UStG § 17