Leitsatz
1. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
2. Die sog. Garantieleistung eines Autoverkäufers, durch die
- der Käufer eines Neuwagens gegen Zahlung eines Aufpreises nach Ablauf der Werksgarantie zwei Jahre lang Reparaturansprüche gegenüber dem Verkäufer und Reparaturkostenersatzansprüche gegenüber einem Versicherer hat,
oder
- der Käufer eines Gebrauchtwagens zusätzlich zu eventuellen Gewährleistungsansprüchen aus dem Kauf gegen Zahlung eines Aufpreises weitere Reparaturansprüche gegenüber dem Verkäufer und Reparaturkostenersatzansprüche gegenüber einem Versicherer erhält,
ist keine unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung; sie ist eine eigenständige, nach § 4 Nr. 8 Buchst. g und/oder nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG steuerfreie Leistung.
Normenkette
§ 4 Nr. 8 Buchst. g UStG 1993 , § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG 1993
Sachverhalt
Der Kläger veräußerte Neu- und Gebrauchtwagen. Beim Abschluss eines Kaufvertrags bot er den Käufern eine 24 Monate gültige mit ihm abzuschließende Garantievereinbarung an, die durch einen zwischen ihm, dem Kläger, und der CG-Versicherung abgeschlossenen Versicherungsvertrag versichert war. Die Garantievereinbarung umfasste – sofort bzw. nach Ablauf der Werksgarantie bei Neuwagen – die Funktionsfähigkeit bestimmter Bauteile; der Kunde konnte ggf. die Reparatur beim Kläger oder einem Dritten durchführen lassen.
Das FA sah hierin nur eine unselbstständige Nebenleistung. Anders das FG: Die Car-Garantie sei eine selbstständige Leistung. Der Kläger habe den Käufern der Autos einen unmittelbaren Anspruch gegen die CG auf Ersatz der in einer Fremdwerkstatt angefallenen Reparaturkosten und insoweit Versicherungsschutz i.S.v. § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG verschafft (entspricht dem Sachverhalt im BFH-Urteil in BFH-PR 2003, 107); eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfreie Übernahme einer Sicherheit liege vor, soweit der Kläger sich verpflichtet habe, die Reparaturen selbst vorzunehmen.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG. Die Garantieleistung des Verkäufers habe neben der Fahrzeuglieferung einen eigenen Zweck; sie habe ähnlich wie eine Kaskoversicherung den Zweck, das erworbene Fahrzeug gegen Schäden zu versichern. Sie stelle nicht (lediglich) das Mittel dar, um die Hauptleistung des Leistenden – die Fahrzeuglieferung – unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
Dem entspreche auch die Sicht des Durchschnittsverbrauchers, für den es einen Unterschied mache, ob er zusätzlich zum Kaufpreis über die Werksgarantie (bei Neuwagen) und die normalen Gewährleistungsansprüche hinaus eine bestimmte Zeit Reparaturansprüche gegenüber dem Verkäufer und Reparaturkostenersatzansprüche gegenüber einem Versicherer erhalte. Die Garantieleistungen des Klägers seien jedenfalls nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG und/oder nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG steuerfrei.
Hinweis
Beim Kauf von Neu- und Gebrauchtwagen bieten die Händler häufig eine "Händlergarantie" gegen zusätzliches Entgelt an. Dadurch verlängert sich im Ergebnis die Gewährleistung für Neuwagen; bei Gebrauchtwagen bezieht sich die "Händlergarantie" meist auf bestimmte Bauteile. Die Händler sichern dieses Risiko durch Abschluss einer Versicherung ab (Car-Garantie). Im Garantiefall rechnet der Händler oder eine Drittwerkstatt die Reparatur entweder direkt mit der Versicherung ab oder die Versicherung ersetzt dem Kunden die bezahlte Reparaturrechnung. Die Finanzverwaltung behandelte die Car-Garantie als eine unselbstständige Nebenleistung und nicht als eine selbstständige, nach § 4 Nr. 8 Buchst. g oder § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG steuerfreie Leistung.
Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen; entscheidend ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers.
Ein Fall des § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG ist nach der BFH-Rechtsprechung gegeben, wenn eine Garantie dafür übernommen wird, dass ein bestimmter, tatsächlich oder rechtlich möglicher Erfolg eintritt oder dass sich die Gefahr eines künftigen Schadens nicht verwirklicht.
Die Verschaffung von Versicherungsschutz i.S.v. § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG liegt vor, wenn der Unternehmer mit einem Versicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag zugunsten eines Dritten abschließt (BFH, Urteil vom 9.10.2002, V R 67/01, BFH-PR 2003, 107).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.1.2003, V R 16/02