Unseres Erachtens ist es nun an der Finanzverwaltung, Abschnitt 9.2 Abs. 9 UStAE an die jüngste Rechtsprechung des BFH anzupassen. Auch wenn eine Reaktion seitens der Finanzverwaltung noch aussteht, ist ein Berufen auf die Entscheidung vom 2.7.2021 empfehlenswert, soweit dies im konkreten Einzelfall einen Mehrwert bietet. Wurde in bereits notariell beurkundeten Grundstückskaufverträgen eine Umsatzsteueroption ordnungsgemäß ausgeübt, kann nunmehr das Erfordernis bestehen, zu überprüfen, ob die ausgeübte Umsatzsteueroption noch änderbar ist und ein (teilweiser) Widerruf derselben einen Vorteil für die Vertragsparteien bietet.
Zwar führt der Beschluss des BFH zu einer erheblichen Flexibilität der Vertragsparteien, weil sie fortan die einmal ausgeübte Umsatzsteueroption (anteilig) widerrufen können. Diese Flexibilität gilt es aber nun in entsprechenden Umsatzsteuerklauseln in Grundstückskaufverträgen zu adressieren, um späteren Auseinandersetzungen über das Ob und den Umfang des Widerrufs der Umsatzsteueroption vorzubeugen. Denn haben sich die (Vermietungs-)Verhältnisse entgegen der ursprünglichen (Käufer-)Planung geändert oder nicht realisiert, weil bspw. anstelle eines umsatzsteuerpflichtigen Mieters bloß ein Vorsteuerschädling als Mieter gewonnen werden kann, obwohl mit einer ausschließlich umsatzsteuerpflichtigen Vermietung kalkuliert wurde, ist es empfehlenswert zum einen bereits vertraglich zu fixieren, unter welchen Umständen und in welchem Umfang bzw. nach welchen Parametern der Widerruf der Umsatzsteueroption erfolgen kann. Andererseits sollte eine Regelung dazu aufgenommen werden, wie die Parteien etwaige aufgrund des erfolgten Widerrufs der Umsatzsteueroption entstehende Vorsteuerschäden des Verkäufers behandeln.
I. Umsatzsteuerklausel in Grundstückskaufverträgen
Die aktuelle Rechtsprechung des BFH hat auch Auswirkungen auf die umsatzsteuerlichen Regelungen in Grundstückskaufverträgen. Vertragliche Regelungen orientieren sich zwar grundsätzlich an dem jeweiligen Einzelfall. Allerdings empfiehlt es sich u.a. folgende Aspekte bei bestimmten Grundstückslieferungen, bspw. von einem Immobilien-Projektentwickler, zu beachten.
Vollständige Option und ggf. nachfolgend anteiliger Widerruf: In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, in dem notariellen Grundstückskaufvertrag zunächst vollständig zur Umsatzsteuer zu optieren. Denn eine nachträgliche Umsatzsteueroption ist auch nach der jüngsten BFH-Entscheidung nicht möglich. In der Folge kann die Umsatzsteueroption (anteilig) widerrufen und an die entsprechenden tatsächlichen (Vermietungs-)Verhältnisse "nach unten" korrigiert werden. Hierzu ist entscheidend, dass der Zeitpunkt für die Ausübung des Widerrufs nicht verpasst wird. Daher sollten entsprechende Klauseln vorsehen, dass eine Neubeurteilung der Umsatzsteueroption durch die Parteien durchgeführt wird, noch bevor die Steuerfestsetzung beim Käufer für das Jahr der Leistungserbringung nicht mehr anfechtbar oder nach § 164 AO nicht mehr änderbar ist. Dies setzt ein genaues Monitoring der entsprechenden Fristen durch den Käufer als Steuerschuldner gem. § 13b Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG voraus.
Entschädigungsregelung vorsehen: Im Übrigen ist es aus Käufersicht ratsam, eine Entschädigungsregelung für den Fall vorzusehen, dass eine in dem notariellen Grundstückskaufvertrag vereinbarte spätere Anpassung der Umsatzsteueroption nicht (mehr) möglich ist, weil der Verkäufer dies schuldhaft verursacht hat, indem er sich beispielsweise einem nachträglichen (anteiligen) Widerruf der Umsatzsteueroption versperrt oder die Vertragsergänzung hierzu grundlos in die Länge zieht (obwohl die etwaige Korrektur der Umsatzsteueroption im ursprünglichen notariellen Grundstückskaufvertrag vorgesehen wurde).
Aus Käufersicht wäre es zwingend, die Optionsquote bei der Anpassung der Umsatzsteueroption vorzugeben (was bei einer wirtschaftlichen Kompensation des Verkäufers für etwaige Vorsteuerberichtigungen eine berechtigte Forderung ist). Auch sollte der Käufer versuchen, seinen umsatzsteuerfreien Mietern den eigenen Vorsteuerschaden über eine entsprechende Mieterhöhung weiter zu belasten. Aus Verkäufersicht wird – berechtigterweise – gefordert werden, dass die Regelung zur Anpassung der Umsatzsteueroption "nach unten" (weg von einer Volloption und hin zu einer Teiloption) bereits eine Entschädigung (bspw. Kaufpreiserhöhung) für etwaige Vorsteuerberichtigungen vorsieht, so dass dem Verkäufer für den aufgrund des (anteiligen) Widerrufs entstandenen Vorsteuerschaden keine Nachteile erwachsen. Für den Käufer würde eine entsprechende Kaufpreiserhöhung zwar auch zu einer anteiligen Erhöhung der Umsatzsteuer führen, allerdings sollte bei Vorliegen der Vorsteuerabzugsberechtigung ein entsprechender Vorsteuerabzug möglich sein, so dass die wirtschaftliche Belastung mit Umsatzsteuer insoweit durch den Vorsteuerabzug neutralisiert werden kann.