1. Einvernehmlicher oder einseitiger Widerruf der Umsatzsteueroption?
Des Weiteren lässt der BFH die Frage offen, ob der Widerruf der Umsatzsteueroption einvernehmlich – von beiden Parteien gemeinsam – oder auch einseitig erfolgen kann.
Betrachtet man die Systematik des Widerrufs einer Umsatzsteueroption im Übrigen, also bei nicht mit Grundstücken zusammenhängenden Umsätzen, kann der leistende Unternehmer die Umsatzsteueroption grundsätzlich einseitig widerrufen. Er ist in solchen Konstellationen mithin nicht von einem einvernehmlichen Zusammenwirken mit dem Leistungsempfänger abhängig. Im UStAE wird hierzu insoweit ausgeführt: "Einer Zustimmung des Leistungsempfängers zur Rückgängigmachung des Verzichts bedarf es grundsätzlich nicht." Dies wird auch von der Literatur so beurteilt.
Nach Ansicht der Verfasser erscheint es deshalb vor diesem Hintergrund plausibel und konsequent, auch bei Grundstücksumsätzen den einseitigen Widerruf der Umsatzsteueroption durch den leistenden Unternehmer zuzulassen. Denn nach der jüngsten Entscheidung des BFH betrifft § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG nicht den Widerruf der Umsatzsteueroption, so dass insoweit die allgemeine Systematik des Widerrufs einer Umsatzsteueroption Geltung beansprucht.
Auch wenn damit gute Argumente dafür sprechen, dass der Widerruf der Umsatzsteueroption einseitig und außerhalb einer notariell beurkundeten Vertragsänderung erfolgen kann, ist es bis zu einer Stellungnahme der Finanzverwaltung oder einer eindeutigen gesetzlichen Regelung dennoch ratsam, vorsorglich mit einer solchen einvernehmlichen Beurkundung zu arbeiten.
2. Möglichkeit des teilweisen Widerrufs der Umsatzsteueroption
Gedeckt von der Rechtsprechung des BFH ist es nunmehr möglich, eine in dem notariellen Grundstückskaufvertrag ausgübte Umsatzsteueroption betreffend sämtlicher Flächen des Grundstücks (sog. Volloption) im Nachhinein bis zu einem gewissen Zeitpunkt vollständig zu widerrufen. Denklogisch kommt nach Ansicht der Verfasser deshalb auch der nur teilweise Widerruf der Umsatzsteueroption in Betracht, so dass anschließend eine Umsatzsteueroption betreffend nur mancher, eindeutig zu bestimmender Flächen des Grundstücks fortbesteht (sog. Teiloption). Wenn ein vollständiger Widerruf der Umsatzsteueroption möglich ist, muss nach der Auffassung der Verfasser erst recht ein nur teilweiser Widerruf der Umsatzsteueroption möglich sein.
3. Möglichkeit der nachträglichen Anpassung der Option "nach oben"
Der BFH hat in seiner aktuellen Entscheidung erneut bekräftigt, dass die Umsatzsteueroption bei Grundstücksumsätzen nur in dem notariellen Grundstückskaufvertrag ausgeübt werden kann, also in dem Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben (vgl. § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB), welcher also der Auflassung und der Eintragung in das Grundbuch vorhergeht. Folglich wird man annehmen müssen, dass der BFH die nachträgliche Ausübung oder auch die nachträgliche Erhöhung der ursprünglich ausgeübten Umsatzsteueroption auch in einem notariellen Nachtrag zum vorangehenden Grundstückskaufvertrag für ausgeschlossen hält. Denn in dem notariellen Nachtrag würden diese Verpflichtungsgeschäfte des eigentlichen Grundstückskaufvertrages nicht geregelt werden.
Ist in dem ursprünglichen notariellen Grundstückskaufvertrag aber eine Teiloption wirksam erklärt worden, ist der Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a) UStG dem Grunde nach bereits angelegt und zwischen den Parteien unbedingt gewollt. In solchen Konstellationen erscheint es plausibel und von dem Schutzzweck des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG gedeckt, wenn die nachträgliche Erhöhung der Teiloption von bspw. 50 % auf 80 % oder gar auf 100 % in einem notariellen Nachtrag zum Grundstückskaufvertrag einvernehmlich erklärt wird. Zwar würde der Leistungsempfänger nachträglich mit einer im Vergleich zur ursprünglichen Umsatzsteueroption höheren Steuerschuld belastet, weil sich die Optionsquote erhöhen würde. Jedoch ist dem Leistungsempfänger dem Grunde nach bewusst, dass er mit dem Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten des Grundstücks auf ihn mit Umsatzsteuer belastet wird. Die bloße (einvernehmliche und formgerecht herbeigeführte) Mehrbelastung mit Umsatzsteuer ist somit nach der hier vertretenen Auffassung kein Widerspruch zum Schutzzweck der Norm. Nach der Ansicht des BFH schließt der Wortlaut des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG eine Umsatzsteueroption in einer nachfolgenden Neufassung des notariellen Grundstückskaufvertrages zwar selbst dann aus, wenn diese gleichfalls notariell beurkundet wurde. Ob nach diesem Verständnis aber auch die spätere Erhöhung einer Teiloption ausgeschlossen sein soll, kann jedenfalls bezweifelt werden.
4. Erstmalige Umsatzsteueroption nach Abschluss des notariellen Grundstückskaufvertrages
Entgegen der sehr stark am Wortlaut orientierten Auffassung des BFH und dem folgend der Finanzverwaltung, sprechen nach der hier vertretenen Auffassung auch gute Argumente dafür, dass die Umsatzsteueroption erstmalig auch in einem notarielle...