Leitsatz
1. Der gesetzliche Vertreter einer GmbH ist auch in Zeiten der Krise nicht verpflichtet, von Geschäften Abstand zu nehmen, weil diese Umsatzsteuer auslösen; das gilt grundsätzlich auch für die Ausübung steuerlicher Gestaltungsrechte wie der Option nach § 9 UStG. Ein Konkursverwalter verletzt jedoch seine steuerlichen Pflichten, wenn er aufgrund einer Vereinbarung mit einem Grundpfandgläubiger ein Grundstück unter Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung freihändig verkauft und den Kaufpreisanspruch an den Grundpfandgläubiger abtritt, obwohl er weiß, dass Mittel zur Tilgung der Umsatzsteuer nicht zur Verfügung stehen (Abgrenzung zu BFH-Urteil vom 9.1.1997, VII R 51/96, BFH/NV 1997, 324).
Normenkette
§ 34 AO , § 69 AO , § 191 AO , § 4 Nr. 9a UStG , § 9 UStG , § 15a UStG , § 4 Abs. 2 KO , § 47 KO , § 60 KO
Sachverhalt
Ein Konkursverwalter veräußerte Grundbesitz der Gemeinschuldnerin mit Umsatzsteueroption, obwohl er wusste, dass er die zu Lasten der Konkursmasse entstehende Umsatzsteuerschuld nicht werde begleichen können. Tatsächlich zeigte er alsbald die Unzulänglichkeit der Masse i.S.d. § 60 KO an. Auf dem Grundstück waren für die Bank Grundpfandrechte eingetragen. Der Käufer zahlte den gesamten (Brutto-)Kaufpreis an den Notar, der den Betrag vereinbarungsgemäß an die Bank weiterleitete.
Der Konkursverwalter meldete die Umsatzsteuer aus dem Grundstücks- und Inventarverkauf beim FA an, führte die Umsatzsteuer jedoch nicht ab. Er wurde deshalb vom FA auf Haftung in Anspruch genommen. Die dagegen erhobene Klage hatte vor dem FG keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen. Auch in Zeiten der Krise sei der Steuerschuldner nicht verpflichtet, von Geschäften Abstand zu nehmen, weil diese Umsatzsteuer auslösen, die voraussichtlich nicht beglichen werden kann. Er bleibe vielmehr in seinen unternehmerischen Dispositionen und in der Vertragsgestaltung frei.
Das gelte grundsätzlich auch für die Ausübung steuerlicher Gestaltungsrechte wie die in § 9 UStG dem Unternehmer eingeräumten. Das UStG nehme in Kauf, dass die Umsatzsteuer, die der Leistungsempfänger als Vorsteuer gegenüber dem Fiskus geltend machen kann und die im Gegenzug bei dem Leistenden erhoben wird, im Einzelfall wegen dessen Insolvenz nicht oder nur teilweise realisiert werden kann. Es verlangt von dem Unternehmer auch nicht, bei der Ausübung des ihm zustehenden Wahlrechts nach § 9 UStG auf das Interesse des Fiskus" Rücksicht zu nehmen, nicht Vorsteuer ohne die gesicherte Erwartung vergüten zu müssen, seine Umsatzsteuerforderung gegen den Leistenden durchsetzen zu können.
Der Verzicht auf die Steuerbefreiung des Umsatzes nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, sofern der Erwerber des Grundstücks den Kaufpreis in voller Höhe bezahlt, selbst wenn der leistende Unternehmer illiquide ist und deshalb die durch seinen Verzicht entstehende Umsatzsteuer schuldig bleibt.
Der Konkursverwalter müsse in einem solchen Fall jedoch ggf. durch den Abschluss einer Nettokaufpreisabrede mit dem Grundpfandgläubiger dafür sorgen, dass der Umsatzsteueranteil des Kaufpreises zur Masse fließt. Unterlasse er das, hafte er auf den Betrag, der bei pflichtgemäßer Einziehung der Umsatzsteuer zur Konkursmasse entrichtet worden wäre und nach Maßgabe der konkursrechtlichen Vorschriften an das FA abzuführen gewesen wäre.
Hinweis
1. Der Konkursverwalter nach altem Recht war Vermögensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 3 AO; ebenso war es der Verwalter nach der GesO und ist es heute der Insolvenzverwalter. Sie alle haften bei Nichterfüllung der dem (Gemein-)Schuldner obliegenden steuerlichen Pflichten. Die nach wie vor strittige Frage, ob sie gesetzliche Vertreter des (Gemein-)Schuldners sind (Vertretertheorie) oder ihr Amt als Treuhänder wahrnehmen (Amtstheorie), verdient jedenfalls in diesem Zusammenhang (und weitgehend auch sonst in der Rechtspraxis) Ihre Aufmerksamkeit nicht.
2. Die Pflichten aus § 34 Abs. 1 und 3 AO bestehen nicht nur darin, die im Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuern vorhandenen Mittel des Steuerschuldners zur Befriedigung des Steuergläubigers einzusetzen (bei unzureichenden Mitteln das FA jedenfalls nicht weniger zu berücksichtigen als andere Gläubiger). Bereits vor Fälligkeit der Steuern müssen die Mittel so verwaltet werden, dass ausreichende Mittel zur pünktlichen Tilgung auch der erst künftig fällig werdenden Steuerschulden zur Verfügung stehen. Eine Pflichtverletzung liegt deshalb auch dann vor, wenn der gesetzliche Vertreter sich durch Vorwegbefriedigung anderer Gläubiger oder in sonstiger Weise schuldhaft außer Stande setzt, künftig fällig werdende Steuerschulden, deren Entstehung ihm bekannt ist, zu tilgen.
3. Unterscheiden Sie hiervon die Frage, ob die (wesentlich weiter gehende) Pflicht besteht, das Entstehen von Steuerschulden zu vermeiden, also steuerbegründende Tatbestände nicht zu verwirklichen. Das ist bislang auch in der Krise eines Unternehmens vom Steuerrecht nicht verlangt worden.
4. Hier war vom BFH ei...