Getrennte Bestimmung: Schließlich führt der BFH an, es wäre auch denkbar, dass der Ort der Dienstleistung vom Kommittenten an den Kommissionär und der Ort der Dienstleistung vom Kommissionär an die Endkunden getrennt gemäß den Art. 44, 45 MwStSystRL zu bestimmen ist.
Ort der Leistung an den Kommissionär (im Regelfall B2B): Das hieße im vorliegenden Fall zum einen, dass der Ort der (fiktiven) Leistungen von A an B gem. Art. 44 MwStSystRL in Irland läge (bzw. dass die Leistung vom Kommittenten an den Kommissionär bei B2B-Leistungen immer dort ausgeführt wird, wo der Kommissionär ansässig ist).
Ort der Leistung an die Endkunden (im Regelfall B2B/B2C): Zum anderen würde das im vorliegenden Fall bedeuten, dass die (fiktiven) Leistungen von B an die EV ebenfalls als in Irland ausgeführt anzusehen wären – und zwar gem. Art. 45 MwStSystRL (bzw. dass der Ort der Leistungen des Kommissionärs an die Endkunden sich im Regelfall nach Art. 45 oder Art. 44 MwStSystRL richten würde).
Zweifel des BFH (Widerspruch zur wirtschaftlichen Realität): Hier sieht der BFH allerdings das Problem, dass "die Geschäftsbesorgungsleistung des Kommissionärs an den Kommittenten (die an sich gemäß Art. 44 MwStSystRL am Ort der Ansässigkeit des Kommittenten erbracht wird) [...] aufgrund der Fiktion paradoxerweise den Leistungsort aller Leistungen vom Kommittenten weg verlagern" würde. Dabei hat der XI. Senat Zweifel, ob das der geschäftlichen und wirtschaftlichen Realität der Dienstleistungskommission entspreche. Hierbei wird allerdings nicht klar, wo das Paradoxon liegen soll bzw. warum das der geschäftlichen und wirtschaftlichen Realität der Dienstleistungskommission widersprechen soll.
Ebenso beim anderen "Auslegungsvorschlag": Zum einen würde das Steueraufkommen auch in der zweiten vom BFH aufgezeigten Auslegungsmöglichkeit (s. oben III.2.) "vom Kommittenten weg verlagert".
"Wegverlagerung" ist die wirtschaftliche Realität ...: Zum anderen stellen die mehrwertsteuerlichen Vorschriften, wenn sie in diesem Sinne auszulegen sind, die geschäftliche und wirtschaftliche Realität dar. Es kommt eben dann, zumindest für die (fingierten) Umsätze des A an B das Bestimmungslandprinzip – als Grundregel der B2B-Umsätze – zur Anwendung (ebenso für die Umsätze von B an die EV, wenn diese Unternehmer wären). Das ist u.E. nicht paradox; so sind vielmehr die mehrwertsteuerlichen Regelungen. Wollte man das anders regeln, könnte man z.B. vorsehen, dass Lieferungen oder Leistungen immer dort steuerbar sind, wo die tatsächliche Nutzung oder Auswertung erfolgt. Auch solche "Use-and-Enjoyment-Regeln" gibt es. Davon, solche Regelungen zur Grundregel des Leistungsortes zu machen, hat man in der EU aber bewusst mit den verschiedenen Regelungen zum Ort der Dienstleistung in Art. 44 ff. MwStSystRL abgesehen.
... insbesondere aus Sicht der Endkunden: Letztendlich ist die getrennte Behandlung insbesondere aus Sicht der Endkunden sinnvoll. Da der Kommissionär im eigenen Namen handelt, ist für sie nicht (unbedingt) erkennbar, dass er als solcher tätig ist. Erwerben also z.B. in Deutschland ansässige Endkunden Dienstleistungen i.S.d. § 3a Abs. 1 UStG von einem in Luxemburg ansässigen Kommissionär, der im eigenen Namen, aber für Rechnung eines in Deutschland ansässigen Kommittenten tätig wird, würden sich viele Kunden vermutlich wundern, wenn der Kommissionär ihnen (nach der unter II.2.a. dargestellten Auffassung) deutsche MwSt (19 %) und nicht luxemburgische MwSt (17 %) in Rechnung stellen würde (das ließe sich ohne Offenlegung der "verdeckten Vermittlung" auch nicht aufklären).