Überlegungen des BFH nicht überzeugend: Die dem EuGH vorgelegten Überlegungen des BFH, dass möglicherweise die (für Zwecke der MwSt) fingierten Leistungen eines Kommittenten an einen Kommissionär und des Kommissionärs an die Endkunden so zu behandeln sind, wie die Leistungen des Kommittenten an den Endkunden ohne Hinzutreten des Kommissionärs (s. oben III.1.), bzw. dass möglicherweise zumindest der Ort der Dienstleistung, zu der der Kommissionär hinzutritt, auch den Ort der Dienstleistung zwischen Kommittent und Kommissionär bestimmt (s. oben III.2.), überzeugen nicht.
Kommissionärsregelungen betreffen nur die Leistungsbeziehungen: Die MwStSystRL (und natürlich auch das das Unionsrecht umsetzende nationale Recht) fingiert für Zwecke der MwSt lediglich Leistungsbeziehungen vom Kommittenten an den Kommissionär und von diesem an die Endkunden. Mehr regeln die entsprechenden Vorschriften nicht, d.h. es wird insbesondere nicht fingiert, ob der jeweils Leistende bestimmte persönliche Qualifikationen erfüllt, wer Steuerschuldner ist, wann die Leistung als ausgeführt gilt etc.
Fiktion allein des Ortes einer Leistung ergibt sich nicht aus dem Wortlaut: Eine Fiktion lediglich des Ortes der Dienstleistung des Kommittenten an den Kommissionär dürfte wohl kaum in Frage kommen. Es wäre nicht nachvollziehbar, wie sich eine solche Auslegung aus dem Wortlaut und Sinn der Vorschriften ergeben könnte.
Gesonderte Prüfung: Für die jeweils inhaltsgleichen Leistungen ist die steuerliche Behandlung daher jeweils gesondert zu prüfen.
Bsp. innergemeinschaftlicher Handel: Das zeigt sich z.B. am innergemeinschaftlichen Handel in einer Kommissionärsstruktur (s. oben V.). Hier geht das Mehrwertsteuerrecht davon aus, dass eine Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär im Abgangsland (sowie ein i.g. Erwerb des Kommissionärs im Zielland) vorliegt und eine lokale Lieferung des Kommissionärs an den Endkunden im Zielland. Für jede der beiden Lieferungen ist dann festzustellen, wo sie als ausgeführt gilt (hierbei ist ggf. Art. 36a MwStSystRL zu beachten), ob eine der Lieferungen gem. Art. 138 MwStSystRL steuerfrei sein kann etc. Nur bei dieser Behandlung ist die zutreffende Besteuerung gewährleistet und nur so kann das Meldesystem für den i.g. Handel funktionieren.
Bsp. E-Commerce: Ebenso zeigt sich dieses Verständnis des Mehrwertsteuerrechts in den Fällen des Art. 14a MwStSystRL, d.h. der (Fern-)Verkäufe über einen elektronischen Marktplatz (s. oben VI.). Hierbei geht das Mehrwertsteuerrecht von "ruhenden" Lieferungen des Kommittenten (Händlers) an den Kommissionär (Marktplatz) aus und von "bewegten" Lieferungen des letzteren an die Endkunden. Bei Importen sind die Lieferungen der Händler nicht steuerbar, bei Lieferungen innerhalb der Gemeinschaft sind sie steuerfrei. Die Lieferungen der Marktplätze sind hingegen jeweils in den Zielländern steuerpflichtig (zumindest dann, wenn der One-Stop-Shop genutzt wird).
Zu erwartende Rechtserkenntnisse des EuGH: Sollte sich der EuGH in dem anhängigen Verfahren C-101/24 (XYRALITY GmbH) zu der zweiten Frage, die der BFH gestellt hat, äußern, ist es daher u.E. naheliegend, dass er sie dahingehend beantwortet, dass der Ort der Leistungen der A (Kommittentin) an B (Kommissionärin) anhand der allgemeinen Regeln zu ermitteln ist, d.h. gem. Art. 44 MwStSystRL in Irland liegt.