Leitsatz
1. Ein unberechtigter Steuerausweis i.S.d. § 14c Abs. 2 UStG setzt nicht voraus, dass die Rechnung alle in § 14 Abs. 4 UStG aufgezählten Pflichtangaben aufweist.
2. Die an den Rechnungsbegriff des § 15 Abs. 1 UStG und den des § 14c UStG zu stellenden Anforderungen sind nicht identisch.
Normenkette
§ 14, § 14 Abs. 3, § 15 UStG 1999, § 14, § 14c Abs. 2, § 15 UStG 2005, Art. 21 Abs. 1 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Rechnungen der Klägerin über Lieferungen, die sie nicht ausgeführt hatte, wiesen keinen Lieferzeitpunkt und keine fortlaufende Rechnungsnummer aus.
Das FA nahm die Klägerin nach § 14c Abs. 2 UStG in Anspruch. Das FG (FG Thüringen, Urteil vom 23.07.2009, 2 K 184/07, Haufe-Index 2267761, EFG 2009, 1684) bestätigte die Klägerin, die Rechnungen seien nicht zum Vorsteuerabzug geeignet gewesen.
Entscheidung
Die Revision des FA hatte aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen Erfolg.
Hinweis
§ 14c Abs. 2 UStG bezweckt – wie zuvor schon § 14 Abs. 3 UStG a.F. – Missbräuche durch Ausstellung von Rechnungen mit offenem Steuerausweis zu verhindern. Zu § 14 Abs. 3 UStG hatte der BFH entschieden, die Vorschrift beziehe sich auf den allgemeinen Rechnungsbegriff: Danach ist "Rechnung jede Urkunde, mit der ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter über eine Lieferung oder sonstige Leistung gegenüber dem Leistungsempfänger abrechnet, gleichgültig, wie diese Urkunde im Geschäftsverkehr bezeichnet wird". Nach § 14 Abs. 3 UStG schulde daher die USt nur, wer eine Urkunde ausstelle, die nach ihrem Inhalt zum Vorsteuerabzug geeignet sei und alle insoweit erforderlichen Angaben enthalte.
Die danach ergangene Rechnungsrichtlinie hat die Pflichtangaben der Rechnung erheblich erweitert und § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 UStG geändert, der für den Vorsteuerabzug verlangt, dass der Unternehmer "eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung" besitzt. Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug setzt danach den Besitz einer gleichsam qualifizierten Rechnung voraus, die über die Merkmale der Rechnungsdefinition in § 14 Abs. 1 UStG hinaus die in § 14 Abs. 4 S. 1 Nrn. 1 bis 9 UStG aufgezählten Angaben enthält. Im Gegensatz zu § 15 Abs. 1 UStGverweist § 14c UStG nicht auf §§ 14, 14a UStG. Dies und die unterschiedliche Zielsetzung der beiden Vorschriften – insbesondere der Zweck des § 14c Abs. 2 UStG, der Gefährdung des Steueraufkommens durch solche Abrechnungsdokumente zu begegnen, die die elementare Merkmale einer Rechnung aufweisen oder den Schein einer solchen erwecken und den Empfänger zum Vorsteuerabzug verleiten – veranlasste den BFH zu einer Änderung der Rechtsprechung.
Danach schuldet nach § 14c UStG die USt, wer einem anderen ein Dokument überlässt, das den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung, sowie das Entgelt und die gesondert ausgewiesene USt ausweist. Nicht zuletzt wegen der Berichtigungsmöglichkeit nach § 14c Abs. 2 S. 2 UStG besteht auch kein schutzwürdiges Interesse eines Rechnungsausstellers, risikolos Dokumente in den Rechtsverkehr zu bringen, die als Abrechnungen über angebliche USt-pflichtige Vorgänge erscheinen und dem Rechnungsempfänger einen Vorsteuerbetrug erst ermöglichen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.02.2011 – V R 39/09