Leitsatz
Das BMF wird gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 FGO zum Beitritt aufgefordert, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und inwieweit aufgrund des Internationalen Privatrechts und/oder des Gemeinschaftsrechts der Begriff der gesetzlichen Unterhaltspflicht im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG in der ab 1.1.1996 geltenden Fassung eine Erweiterung erfährt.
Normenkette
§ 33a Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger, ein türkischer Staatsbürger, überwies im Jahr 1996 14 000 DM an seine in der Türkei lebende Schwägerin und deren im Streitjahr 24, 19 und 17 Jahre alten Kinder für deren Unterhalt. In seiner Einkommensteuererklärung machte er diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend ("Unterhalt für bedürftige Angehörige").
Das FA ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu, sondern verwies auf die gesetzliche Neuregelung in § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG, nach der nur noch Unterhaltsleistungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen zu berücksichtigen seien. Die Klage war erfolglos.
Mit seiner Revision rügt der Kläger insbesondere, dass es gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verstoße, wenn Leistungen an unterhaltsberechtigte Personen Berücksichtigung fänden, während Zahlungen an die weitere Verwandtschaft steuerrechtlich unbeachtlich seien, obwohl der Leistende in gleichem Maß belastet sei. Bei den strittigen Unterstützungszahlungen handele es sich um Aufwendungen, die notwendig seien, um die in der Türkei lebenden Angehörigen wegen des dort fehlenden Sozialsystems vor der Verelendung zu bewahren.
In einem weiteren anhängigen Revisionsverfahren, dem ein gleich gelagerter Sachverhalt zugrunde liegt (Unterstützung der in der Türkei lebenden mittellosen Stiefmutter des Revisionsklägers sowie seiner Schwester und deren drei Kinder) macht der Kläger geltend, er sei nach türkischem Recht, das über Art. 18 EGBGB auch im Inland gelte, zu diesen Unterhaltszahlungen verpflichtet.
Entscheidung
Der BFH bittet das BMF zum Verfahrensbeitritt, um zu den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Fragen Stellung zu nehmen.
Hinweis
§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 bestimmt, dass nur noch Unterhaltsaufwendungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen steuerlich abzugsfähig sind. Nach deutschem Recht sind nur Ehegatten und Verwandte in gerader Linie einander zum Unterhalt verpflichtet, also (Groß-)Eltern gegenüber (Enkel-)Kindern und umgekehrt. Eine gesetzliche Pflicht, z.B. mittellose Geschwister zu unterhalten, besteht nicht.
Andere Rechtsordnungen kennen jedoch auch eine gesetzliche Unterhaltspflicht in der Seitenlinie. Über Art. 18 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 1. Halbsatz EGBGB kann diese Verpflichtung nach dem Heimatrecht, z.B. zur Unterstützung von Geschwistern, Schwäger, Neffen und Nichten, im Inland gelten und ist hier auch durchsetzbar.
Maßgebend für die Aufforderung zum Beitritt an das BMF war zum einen die Frage, ob in diesen Fällen davon auszugehen ist, dass der Unterhalt aufgrund einer gesetzlichen Unterhaltspflicht i.S.d. § 33a Abs. 1 EStG geleistet wird. Zum andern wirft der Senat die generelle Frage auf, ob es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei, dass der Gesetzgeber den Abzug von Unterhaltsleistungen, die auf sittlich zwangsläufigen Gründen beruhen, generell vom Abzug ausschließt.
Es empfiehlt sich, bis zum Abschluss dieses und des gleich gelagerten Verfahrens III R 8/01 alle Fälle offen zu halten, in denen entweder Unterhalt aus sittlichen Gründen zwangsläufig geleistet wird, ferner diejenigen, bei denen eine gesetzliche Unterhaltspflicht nach dem jeweiligen Landesrecht des Mandanten in Betracht kommt.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 8.3.2001, III R 53/98