Leitsatz
Durch die Antragstellung des Unterhaltsleistenden mit Zustimmung des Empfängers nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG werden die gesamten, in dem Kalenderjahr geleisteten Unterhaltsaufwendungen – unbeschadet einer betragsmäßigen Begrenzung durch den Antragsteller oder durch den Höchstbetrag – zu Sonderausgaben umqualifiziert. Für den Abzug ist es unerheblich, ob es sich um laufende oder einmalige Leistungen bzw. um Nachzahlungen oder Vorauszahlungen handelt. Die der Art nach den Sonderausgaben zuzuordnenden Aufwendungen können auch nicht insoweit als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, wie sie den für das Realsplitting geltenden Höchstbetrag übersteigen.
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG , § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger leistete am 31.3.1988 auf Grund eines Urteils an seine geschiedene Ehefrau für die zurückliegenden Jahre ab 1984 Unterhalt in Höhe von 60682 DM, des Weiteren zahlte er 1988 laufende Unterhaltszahlungen in Höhe von 1554 DM monatlich. In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1988 beantragte er den Abzug der Unterhaltszahlungen in Höhe von insgesamt 74618 DM als Sonderausgaben mit der Begründung, er hätte in den zurückliegenden Jahren jeweils das begrenzte Realsplitting geltend machen können.
Das FA berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid zum einen den nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG im Streitjahr abziehbaren Höchstbetrag von 18000 DM, zum anderen zog es die Unterhaltszahlungen für die zurückliegenden Jahre zusätzlich als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG ab, allerdings der Höhe nach beschränkt auf die in den Streitjahren jeweils geltenden Höchstbeträge nach § 33a Abs. 1 EStG (3600 DM bzw. 4500 DM). Die Klage und Revision hiergegen waren erfolglos.
Entscheidung
Der BFH war der Auffassung, als Unterhaltszahlungen hätte nur der im Streitjahr nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG geltende Höchstbetrag von 18000 DM abgezogen werden dürfen. Antrag und Zustimmung nach dieser Vorschrift wirkten rechtsgestaltend. Durch die Antragstellung des Gebers mit Zustimmung des Empfängers würden die Aufwendungen insgesamt – also nicht nur bis zur Grenze des Höchstbetrags – begrifflich zu Sonderausgaben. Dies bedeute, dass neben den in § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorgesehenen Höchstbeträgen ein weiterer Abzug als außergewöhnliche Belastung nicht in Betracht komme, da dem § 33 Abs. 2 Satz 2 entgegenstehe. Nach dieser Bestimmung könnten Aufwendungen, die zu den Sonderausgaben gehörten, nicht als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden, und zwar unabhängig davon, ob sie sich steuerlich ausgewirkt hätten.
Hinweis
Unterhaltszahlungen an den geschiedenen Ehegatten sind entweder nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Sonderausgaben berücksichtigungsfähig, sofern der Empfänger der Zahlungen zustimmt (Realsplitting), oder nach § 33a EStG abziehbar. Der Abzug ist in beiden Fällen der Höhe nach begrenzt, wobei das Realsplitting für den Unterhaltsleistenden günstiger ist, weil der abziehbare Betrag höher und ein Abzug unabhängig von der Höhe der Einkünfte und Bezüge des Unterhaltsempfängers möglich ist.
Wegen dieses nur begrenzten Abzugs von Unterhaltszahlungen an den geschiedenen Ehegatten kann die Nachzahlung von Unterhalt für zurückliegende Jahre außerordentlich nachteilig sein. Für Unterhaltszahlungen gilt das Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 EStG, so dass eine wirtschaftliche Zuordnung der Unterhaltszahlungen nach Zeiträumen nicht möglich ist. Vielmehr kommt ein Abzug nur im Jahr der Zahlung in Betracht.
Fraglich ist, ob in diesen Fällen der Höchstbetrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG im Jahr der Zahlung dann mehrfach abgezogen werden kann, wenn der Zahlungsempfänger für jedes der zurückliegenden Jahre zustimmt, oder ob die Unterhaltszahlungen wenigstens aufgeteilt werden können dergestalt, dass für die laufenden Unterhaltszahlungen der Sonderausgabenhöchstbetrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG und für die zurückliegenden Jahre ein Abzug als außergewöhnliche Belastung nach § 33 in der nach § 33a EStG beschränkten Höhe gewählt werden kann.
Beide Fragen hat der BFH verneint. Wird für mehrere Jahre Unterhalt nachgezahlt, kommt danach entweder der Abzug (einmalig) als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder als außergewöhnliche Belastung in Betracht (beschränkt auf die in den jeweiligen Jahren geltenden Höchstbeträge nach § 33a EStG). Da das Finanzamt sowohl den im Streitjahr gültigen Höchstbetrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Realsplitting) als auch außergewöhnliche Belastungen entsprechend der jeweils geltenden Höchstbeträge nach § 33a EStG angesetzt hatte, hatte demnach nach Auffassung des BFH das Finanzamt dem Kläger sogar zu viel Unterhaltszahlungen steuerlich gewährt.
Das Gericht hat allerdings angedeutet, dass die Behandlung durch das Finanzamt aus Billigkeitsgründen angezeigt gewesen sei. In vergleichbaren Fällen kann daher eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen angestrebt werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 7.11.2000, III R 23/98