Die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Besonderheiten der Verlustübernahmeforderung beim Organgesellschaftsverlust sollen an folgendem Beispiel veranschaulicht werden.
Beispiel
A überträgt schenkweise seinen Kommanditanteil an der OT GmbH & Co. KG (Organträger) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge mit Wirkung zum 1.2.2023. Im Wirtschaftsjahr (WJ) 2022 ergab sich bei der OG-1 GmbH ein handels- und steuerbilanzieller Verlust i.H.v. 1 Mio. EUR vor Verlustübernahme. In 2021 erzielte die OG-1 GmbH aus Vereinfachungsgründen ein ausgeglichenes Betriebsergebnis ohne Gewinnauswirkungen des Ergebnisabführungsvertrags (EAV) und der eigene Handels- und Steuerbilanzgewinn betrug aus Vereinfachungsgründen 0 EUR. Der gemeine Wert des Kommanditanteils beträgt 10 Mio. EUR (= Substanzwert).
Der I. Senat des BFH hat in seinem Urteil vom 2.11.2022 entschieden, dass die zutreffende Bilanzierung der Verlustübernahmeforderung der Organgesellschaft gegenüber dem Organträger als Aktivposten und korrespondierender Passivposten in den jeweiligen Jahresabschlüssen unabdingbare Voraussetzung für die tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags gem. § 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG ist.
Fragen aus erbschaft- und schenkungsteuerlichem Blickwinkel: Aus erbschaft- und schenkungsteuerlichem Blickwinkel führen diese vorgreiflichen Grundsätze zur bilanziellen Erfassung des Verlustausgleichsanspruchs der Organgesellschaft entsprechend § 302 Abs. 1 AktG konsequenterweise zu den Fragen,
- ob dieser Bilanzansatz dem Grunde nach auf eine Einlage von Finanzmittelvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 2 ErbStG zurückzuführen ist (s. im Folgenden unter 1.) und
- gegebenenfalls wann dieser Einlagetransfer in zeitlicher Hinsicht im Hinblick auf den 2-Jahreszeitraum für das Vorliegen junger Finanzmittel stattfindet (s. im Folgenden unter 2.) sowie
- welche Bedeutung der Verbundvermögensaufstellung nach § 13b Abs. 9 ErbStG diesbezüglich für die Beurteilung von Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen verbundenen Unternehmen zukommt (s. im Folgenden unter 3.).
1. Ist der Bilanzansatz auf eine Einlage von Finanzmitteln zurückzuführen?
a) Verlustübernahmeforderung = Finanzmittel
Die Verlustübernahmeforderung der Organgesellschaft aus § 302 Abs. 1 AktG ist
- als Geldforderung zu qualifizieren und
- erfüllt damit als Forderung gegenüber verbundenen Unternehmen gem. § 266 Abs. 2 B. II. Nr. 2 HGB auf dieser Beteiligungsstufe die Finanzmitteleigenschaft gem. § 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 1 ErbStG.
b) Veranlassung durch Einlage
Die durch den Bilanzansatz für den Verlustübernahmeanspruch bei der Organgesellschaft verursachte Betriebsvermögenserhöhung (BV-Erhöhung) ist m.E. auch durch eine Einlage veranlasst, weil es sich bei der gewinnwirksamen Einbuchung der Verlustübernahmeforderung als "Erträge aufgrund eines Gewinnabführungsvertrages" gem. § 277 Abs. 3 S. 2 HGB um
- eine gesellschaftsrechtlich veranlasste Vermögenszuführung des Organträgers an die Organgesellschaft
- als Folge des Gewinnabführungsvertrags handelt.
Ohne eine organschaftliche Vertragsverpflichtung i.S.d. § 302 AktG bestünden nämlich keine Zweifel an einer Einlage des beherrschenden Gesellschafters durch eine Leistung an die Gesellschaft zur eigenkapitalerhöhenden Verlustkompensation.
Bei der Anteilsbewertung für die Beteiligung an der Organgesellschaft nach den Grundsätzen des vereinfachten Ertragswertverfahrens stützt die Verwaltung zudem die Kürzung des Betriebsergebnisses um den Ertrag aus Verlustübernahmen des Organträgers
- auf § 202 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BewG,
- so dass augenscheinlich eine Vermögenserhöhung mit gesellschaftsrechtlichem Bezug geschlussfolgert wird, die typischerweise verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen betrifft.
Ländererlass vom 13.10.2022 = modifizierte Einlagedefinition: Der gleichlautende Ländererlass vom 13.10.2022 bringt neuerdings die Verwaltungsauffassung einer erweiterten steuerartspezifischen Einlageinterpretation zum Ausdruck, indem "als Einlagevorgang i.S.d. § 13b Absatz 4 Nr. 5 S. 2 ErbStG allgemein alle Zuführungen von Finanzmitteln zum Unternehmensvermögen durch Gesellschafter" zu verstehen sind” und mithin von einer modifizierten Einlagedefinition auszugehen ist. Als junge Finanzmittel fallen deshalb auch solche Vorgänge unter die Vorschrift, denen aufgrund einer vorgreiflichen Beurteilung nach ertragsteuerlichen Grundsätzen keine Einlageeigenschaft i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 8 Halbs. 1 EStG ("Einlagen sind alle Wirtschaftsgüter ..., die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat;...") im engeren Sinne zukommt. Entscheidendes charakteristisches Merkmal einer Einlagezuführung i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 2 ErbStG ist nämlich die "Betriebsvermögens...