Leitsatz
Die Würdigung durch das FG, eine Unternehmerbescheinigung i.S.d. § 61 Abs. 3 UStDV sei nicht als Nachweis über die Ansässigkeit als Steuerpflichtiger anzusehen, wenn die ausstellende Behörde des betreffenden Mitgliedstaats nachträglich mitteilt, die bezeichnete Person sei in der Vergangenheit zu Unrecht als Steuerpflichtige beurteilt worden, bindet grundsätzlich das Revisionsgericht.
Normenkette
§ 18 Abs. 9 UStG , § 61 Abs. 3 UStDV , Art. 4 Abs. 4 2. Unterabs. der 6. EG-RL
Sachverhalt
Eine Elektrogeräte-GmbH niederländischen Rechts, die Klägerin, gehörte zum Konzern der L, Großbritannien, die wiederum eine Tochtergesellschaft der L, USA, war. Im Wesentlichen erfolgte die Geschäftstätigkeit der Klägerin von Großbritannien aus.
Sie beantragte die Erstattung von Vorsteuerbeträgen für ihr in Rechnung gestellte Leistungen der in Deutschland ansässigen L. In ihren Vergütungsanträgen für 1992 bis 1994 berief sie sich auf eine Bescheinigung des niederländischen "Belastingdienst" in Rotterdam. Das BfF erhielt nach entsprechender Anfrage von der niederländischen Finanzbehörde die Auskunft, die Klägerin sei in der Vergangenheit zu Unrecht als Mehrwertsteuerpflichtige angesehen worden. Sie sei von Großbritannien aus tätig.
Die britische Finanzbehörde teilte mit, die USt-Idnr. betreffe nicht die Klägerin, sondern die L Ltd. Großbritannien. Die Klägerin berief sich auf eine Erklärung der britischen Finanzbehörde, wonach sie, die Klägerin, sowohl berechtigt als auch dafür angemeldet sei, britische Umsatzsteuer "nach den Regeln für Konzerne" abzuführen und alle von ihr durchgeführten Transaktionen als in Großbritannien steuerbar anzusehen seien. Sie dürfe die USt-Idnr. der in Großbritannien ansässigen Tochtergesellschaft verwenden.
Entscheidung
Die Revision hatte keinen Erfolg, denn die Klägerin hatte keine Bescheinigung vorgelegt, in der ihr als Leistungs- und Rechnungsempfängerin widerspruchsfrei bescheinigt wird, dass sie in einem bestimmten Mitgliedstaat ansässig und als Unternehmer unter einer USt-Idnr. eingetragen ist. Achten Sie darauf, dass bei Zweifeln spätestens im finanzgerichtlichen Verfahren ordnungsgemäße Bescheinigungen vorliegen.
Hinweis
Es geht um Vorsteuervergütung für im Gemeinschaftsgebiet ansässige Steuerpflichtige nach § 18 Abs. 9 UStG i.d. Fassung vor In-Kraft-Treten des Jahressteuergesetzes 1996 (vor 3.6.1995). Grundlage des Vorsteuervergütungsverfahrens ist – und war auch vor dem 3.6.1995 – Art. 17 Abs. 4 der 6. EG-RL. Danach erfolgen Mehrwertsteuererstattungen bei im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmern nach der 8. EG-RL.
Die Vorsteuervergütung setzt u.a. voraus, dass der Unternehmer der zuständigen Finanzbehörde durch behördliche Bescheinigung des Staats, in dem er ansässig ist, nachweisen muss, dass er in dem anderen Mitgliedstaat als Unternehmer unter einer Steuernummer eingetragen ist.
Nur derjenige, der die Erstattung von ihm in Rechnung gestellter Vorsteuer beantragt, kann und muss nachweisen, dass er als Unternehmer unter einer Steuernummer eingetragen ist. Eine Bescheinigung, in der einem verbundenen Unternehmen bescheinigt wird, der Antragsteller dürfe die USt-Idnr. eines mit ihm verbundenen Unternehmens verwenden, reicht nicht.
Bestehen Zweifel an der Bescheinigung, kann auch das FA sich an die Behörde des Mitgliedstaats wenden, die die Bescheinigung ausgestellt hat, um Informationen einzuholen (vgl. zu diesem Vorgehen die Schlussanträge des Generalanwalts Antonio Saggio vom 13.4.2000, Rs. C-136/99 – Société Monte Dei Paschi Di Siena –, Slg. 2000, I-6111 Randnr. 13). Die Würdigung der Bescheinigungen ist im Wesentlichen Tatsachenfeststellung, an die das Revisionsgericht gebunden ist, wenn die Folgerungen des FG nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.10.2003, V R 103/01