Leitsatz
1. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist nur dann Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne einer nachhaltigen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen gemäß § 2 Abs. 1 UStG ausübt, die sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung heraushebt.
2. Fehlt es hieran, kann sie nicht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG Organträger sein.
Normenkette
§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 1 UStG, Art. 9, 11 und 13 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), Art. 4 Abs. 1 und 2 der 6. EG-RL (= EWGRL 388/77)
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Gemeinde, ist Alleingesellschafterin der K-GmbH, die ihrerseits Alleingesellschafterin der A-GmbH ist. Die Klägerin errichtete im Zeitraum 2001 bis 2008 ein Sportzentrum in drei Bauabschnitten, bestehend aus einer Dreifeldturnhalle, einem Verbindungsbau und einem Freizeitbad.
Mit "Vorvertrag" vom 20.12.2007 vermietete die Klägerin die Dreifeldturnhalle mit Gastronomiekomplex und Inventar an die A GmbH mit Wirkung ab 1.1.2008 zu einem monatlichen Mietzins von 900 EUR. Die Klägerin verpflichtete sich, den beim Betrieb des Sportzentrums entstehenden handelsrechtlichen Verlust auszugleichen.
Mit Vertrag vom 28.10.2008 übertrug die Klägerin rückwirkend zum 1.1.2008 den Betrieb des Sportzentrums auf die A-GmbH, die sich verpflichtete, das Sportzentrum im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu betreiben. Für die Festsetzung der Eintrittspreise bedurfte es der Zustimmung durch den Stadtrat der Klägerin. Die Klägerin verpflichtete sich wiederum zum Ausgleich der handelsrechtlichen Verluste. Der voraussichtliche Verlust für 2008 sollte sich auf 350.400 EUR belaufen. Bei dem Verlustausgleich sollte es sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss handeln. Nach Fertigstellung des Sportbades übertrug die Klägerin auch diesen Betriebsteil auf die A-GmbH.
Nach dem Ergänzungsvertrag vom 30.6.2009 belief sich das Nutzungsentgelt unter Berücksichtigung von beweglichem Anlagevermögen ab 1.12.2008 auf monatlich 5.974,50 EUR. Aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen leistete die Klägerin Verlustausgleichszahlungen i.H.v. 350.400 EUR (2008), 663.582,69 EUR (2009) und 639.084,95 EUR (2010). Für die Errichtung des Sportzentrums machte die Klägerin für die Jahre 2006 bis 2010 einen Vorsteuerabzug von insgesamt ca. 1,8 Mio. EUR geltend. Die Mieten behandelte sie als Entgelt für umsatzsteuerpflichtige Leistungen.
Das FA versagte den Vorsteuerabzug. Die Klage zum FG hatte Erfolg (Sächsisches FG, Urteil vom 29.10.2015, 6 K 1104/13, Haufe-Index 9174322, EFG 2016, 940).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG habe die Unternehmereigenschaft der Klägerin zu Unrecht bejaht. In einem zweiten Rechtsgang sei zu prüfen, ob von einer Asymmetrie zwischen den Pachteinnahmen und den Kosten, für die die Gemeinde den Vorsteuerabzug geltend macht, auszugehen ist, die der Annahme einer Unternehmereigenschaft der Gemeinde entgegensteht.
Hinweis
1. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist bei richtlinienkonformer Auslegung von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 KStG entsprechend Art. 13 MwStSystRL nur dann Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne einer nachhaltigen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen gemäß § 2 Abs. 1 UStG ausübt, die sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung heraushebt.
2. An der für die Unternehmereigenschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erforderlichen Grundvoraussetzung der wirtschaftlichen (unternehmerischen) Tätigkeit fehlt es, wenn eine Gemeinde über die von ihr vereinnahmten Beiträge nur einen kleinen Teil ihrer Kosten deckt.
Werden die Kosten nur zu 3 % aus Einnahmen und im Übrigen mit öffentlichen Mitteln finanziert, deutet diese Asymmetrie zwischen den Betriebskosten und den als Gegenleistung erhaltenen Beträgen darauf hin, dass kein Leistungsentgelt und auch keine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegen (EuGH, Urteil vom 12.5.2016, C-520/14,Gemeente Borsele EU:C:2016:334, Rz. 33 f.).
3. Errichtet eine Gemeinde einen Sporthallenkomplex, den sie an eine von ihr gegründete GmbH für ein geringes Entgelt verpachtet, stellt sich somit die Frage, ob die Gemeinde mit dieser Verpachtung als Unternehmer tätig wird und damit aus der Errichtung der Sporthallen zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Gegen eine unternehmerische Verpachtungstätigkeit kann dabei sprechen, dass die Gemeinde an ihre GmbH Betriebskostenzuschüsse leistet, damit diese die Sporthallen überhaupt betreiben kann. Bei dieser Sachlage kann auch von einer Betreiberleistung der GmbH an die Gemeinde auszugehen sein, bei der die Gemeinde den Betriebskostenzuschuss als Entgelt zahlt und die Sporthalle im Rahmen einer nichtsteuerbaren Beistellung zur Verfügung stellt. Die Gemeinde ist dann nicht als Unternehmer tätig und aus den Errichtungskosten nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Mangels Unternehmerstellung der Gemeinde kommt dann auch keine Organschaft mit der Gemeinde als Organträger in Betracht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.12.2016 – V R 44...